Die Séance
sich selbst.
Die Dämmerung kam, während sie noch bewegungslos dasaß.
Dann hätte sie beinahe vor Schreck einen Satz quer über das Klavier gemacht, als plötzlich ein schriller Ton durch das ganze Haus hallte.
5. KAPITEL
D er erste Streifenpolizist am Fundort hatte seinen Job gut gemacht; ein großer Bereich um die Leiche war mit Polizeiband abgesperrt worden und hielt die Gaffer vom Highway auf Abstand. Doc Martin war schon eingetroffen und sprach gerade mit Jerrys Partner Mal O’Donnell, als sie ankamen.
O’Donnell ließ seinen Blick langsam über Jed wandern, protestierte aber nicht gegen seine Anwesenheit. Doc Martin nickte den beiden Neuankömmlingen zu.
“Sie wissen ja, definitiv kann ich bis zur Autopsie nichts sagen. Aber …” Martin ließ einen erschöpften Seufzer hören. “Das alles hier passt zu dem Mord an Sherri Mason bis aufs i-Tüpfelchen. Sie ist hier abgelegt worden. Als Todeszeitpunkt nehme ich sehr spät gestern Nacht oder sehr früh heute am Morgen an. Auf jeden Fall, bevor es hell wurde.”
“Jesus”, murmelte Jerry. “Und es hat so lange dauert, bis jemand sie entdeckt hat?”
“Da drüben”, sagte Jed. “Diese Büsche. Die haben sie vom Highway aus verborgen. Und, ganz ehrlich, Leute, die mit hundert Sachen vorbeifahren, die sehen nicht viel von der Landschaft.”
Da ihn niemand weggeschickt hatte, kauerte er neben der Leiche, während die anderen die Tatsache verarbeiteten, dass die Leiche wegen der Büsche nicht zu sehen gewesen war.
“Dieses Manko muss ihm gar nicht aufgefallen sein”, sagte Jerry.
“Da stimme ich zu”, sagte O’Donnell. “Er liebt die Aufmerksamkeit – er braucht sie geradezu –, wenn seine Opfer schnell gefunden werden, nackt und in Positur gebracht.”
“Und verletzlich wirkend”, stimmte Jed zu. Er bemerkte, dass die Cops und der Gerichtsmediziner ihn anstarrten, und er wusste auch, warum. Alle wussten, dass er Kopien der alten Akten besaß. Dass er für seinen Roman jede Menge Leute interviewt hatte. Dass er sich mit dem FBI-Agenten angefreundet hatte, der ein Profil des Killers erstellte.
Jed blickte auf die tote Frau. Ein wunderschönes Gesicht, braunes langes Haar mit breiten roten Strähnen. Die Würgemale um ihren Hals waren der einzige sichtbare Hinweis auf ihren gewaltsamen Tod. Sie lag nackt und ausgestreckt da, Arme über der Brust gekreuzt, so wie eine Mumie.
Oder so, wie man sie in einem Beerdigungsinstitut aufgebahrt hätte.
“Patti Jo Buhler”, sagte Mal O’Donnell leise. “Neunundzwanzig. Wir fanden einen Mitarbeiterausweis in ihrer Handtasche, die hier drüben links gefunden wurde.” Er zeigte auf die Stelle, wo ein Beamter ihre Handtasche gefunden hatte. “Entertainerin in einem der Parks.”
“Das übliche Opfer”, sagte Jerry trocken.
Jed starrte das Mädchen an. Sein Herz schien zu torkeln. Ohne die Würgemale hätte sie gerade genauso gut schlafen können. Fast wirkte sie, als könne sie jeden Moment die Augen öffnen, lächeln und aufstehen. Vielleicht hatte sie jetzt im Tod ihren Frieden, aber ihre Träume waren endgültig ausgeträumt.
“Irgendwelche anderen Verletzungen?”, fragte er den Doktor.
“Ich erkenne da ein paar Stellen, die wie Blutergüsse aussehen, die post mortem zugefügt wurden”, sagte Doc Martin. Mit einem behandschuhten Zeigefinger wies er auf ihre Arme. “Sehen Sie, hier? Sie ist herumgeschleift wurden, aber sie wurde nicht geschlagen.”
Jed blickte herab auf das, was von Patti Jo Buhler übrig geblieben war. Er hatte sich sämtliche Fotos von den früheren Fundorten angesehen, als er für sein Buch recherchierte, und das Mädchen passte perfekt in diesen Zusammenhang. Wie die anderen war sie eine schöne junge Frau gewesen, die ihr ganzes Leben noch vor sich gehabt hatte.
Und jetzt …
Er dankte Gott, dass er kein Cop mehr war. Dass er nicht derjenige war, der ihre Familie benachrichtigen musste. Dass er nicht deren Schmerz ausgesetzt war, eine Belastung, an die sich kein Polizist jemals wirklich gewöhnte.
Da lag wieder eine Rothaarige …
Sie könnte ganz leicht Beau Kidds Schwester sein.
Schlimmer.
Wie ein Blitz tauchte eine Vision vor seinem inneren Auge auf, und er sah Christina Hardy da liegen.
Er versteifte sich, rollte die Schultern, um die Anspannung loszuwerden. Er war zu sehr beteiligt. Zu sehr verwickelt in diese Sache. Das fraß ihn von innen auf.
O’Donnells Handy fiepte. Er ging ran, sagte monoton seinen Namen, hörte ausdruckslos zu.
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