Die Seele der Elben
keine Schande machst«, fuhr er grämlich fort. »Wenn von deiner Garnitur etwas zerschlissen ist oder schmutzig oder du etwas zerrissen hast, kommst du hierher in die Kleiderkammer und lässt dir Ersatz geben. Alles Weitere wird dir Herr Anselm erklären.« Er nahm seine Schreibtafel auf und ging zu den Frauen zurück.
Lluigolf sah Anselm an. »Und jetzt?«, fragte er. Das alles kam ihm vor, als wäre er von einem Wirbelsturm entführt und in diesem Schloss abgesetzt worden.
Der Haushofmeister zog eine Taschenuhr hervor und klappte sie auf. »Ich muss mich sputen«, sagte er mit einem Seufzen. »Sei ein guter Junge, geh zu Frau Rotraud und sag ihr einen schönen Gruà von mir. Sie soll dir ein Zimmer zuweisen. Und wenn du Hunger hast, lass dir den Speiseraum der Bedienten zeigen. Ach ja, ich erwarte dich zum Abendläuten in meinem Arbeitszimmer.«
Ehe Lluis noch irgendetwas sagen oder fragen konnte, war der Haushofmeister schon davongeeilt, und Lluis stand da, die Kleider im Arm und ohne den Hauch einer Ahnung, wo er nach Frau Rotraud suchen sollte.
Lluis hatte sich auf den höchsten Söller des Schlosses geflüchtet und starrte finster brütend in die Ferne.
Zwei turbulente Tage lagen hinter ihm, und einiges, was ihm widerfahren war, hatte ihn gründlich durchgerüttelt.
Er stützte das Kinn in die Hände und seufzte. Die rote Jacke, die er über den ebenfalls roten Kniehosen trug, zwickte ein wenig unter den Armen, er würde sie zu einem der Schneider bringen müssen, damit der sie änderte. Aber das war nicht der Grund für seine trübe Stimmung.
Wieder seufzte er. Es juckte ihn in den FüÃen und drängte ihn zum Schlosstor hinaus, auch deshalb hatte er sich hier oben hin gerettet. Er musste sich zwingen, nicht einfach davonzulaufen. Es hatte keinen Zweck, er gehörte nun zum markgräflichen Gefolge und war damit so zuverlässig gebunden wie mit einem festen Seil und dicken Knoten.
Lluis spuckte aus und sah zu, wie seine Spucke an der Hausmauer entlang hinunter in den Hof fiel.
»Gefolge«, sagte er laut und verächtlich.
Nach seiner seltsamen Privataudienz bei Markgraf Wigher hatte er sich von Frau Rotraud und einer Kammerjungfer durch den Dienstbotenflügel führen lassen und dabei ihre neugierigen Blicke und Fragen über sich ergehen lassen.
»Und hier ist der Speisesaal«, sagte Frau Rotraud, eine mütterlich-strenge Frau mit akkurat hochgestecktem Zopf und groÃen Händen. Sie schloss die Tür wieder und musterte Lluigolf von der Seite. »Du bist sicher, dass du zu den Roten â¦Â« Sie unterbrach sich und schlug sich ärgerlich gegen das Bein. »Natürlich bist du das. Du hast die Livree von Herrn Anselm persönlich bekommen, hast du gesagt.«
Lluigolf nickte.
»Das hier wäre dein Zimmer.« Wieder öffnete sich eine Tür, und Lluigolf bemühte sich verzweifelt, den verwirrenden Grundriss des Schlosses in sein Gedächtnis zu prügeln. Er würde gleich um etwas zu schreiben bitten, damit er sich eine Zeichnung machen konnte, solange die Erinnerung noch halbwegs frisch war. Sonst würde er morgen den Weg zum Speisesaal nicht wiederfinden und auch sonst kaum etwas von dem, was Frau Rotraud ihm gezeigt hatte.
Das Zimmer war klein, freundlich und sauber. Ein Fensterchen ging zu einem der vielen Höfe hinaus. Wahrscheinlich hatten sie ihn eben überquert, um in diesen Teil des Bedienstetenflügels zu kommen â dieser Baum dort hinten kam ihm bekannt vor. Oder doch nicht? Müsste die Sonne nicht dort stehen und dort auf der anderen Seite der groÃe Turm des Schlosses aufragen? Lluigolf starrte verzweifelt aus dem Fenster. Er verfügte im Allgemeinen über einen guten Orientierungssinn, aber dieses Schloss trieb ihn in den Wahnsinn!
»Darf ich dir jetzt noch die Aufenthaltsräume der Leibdiener zeigen?«, fragte Frau Rotraud höflich.
»Oh, Entschuldigung«, murmelte Lluis. »Ja, ich danke dir!«
Wieder ging es durch Flure und Durchgangszimmer und dann eine Treppe hinauf. Frau Rotraud klopfte an eine Tür und wartete, bis von drinnen jemand »Hereinspaziert« rief. Sie nickte Lluis zu und bedeutete ihm, die Tür zu öffnen. »Wenn du noch Fragen hast, weiÃt du ja, wo du mich findest.«
Lluis drückte die Klinke herunter und schob die Tür auf. Ein groÃer, gemütlicher Raum tat sich vor seinen Augen
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