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Die Seele der Elben

Titel: Die Seele der Elben
Autoren: Susanne Gerdom
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ohnehin zu spät. Was nützt das Klagen. Wir sollten es einfach versuchen.«
    Lluis schluckte einen Bissen hinunter, der ihn am Sprechen hinderte. »Opfer? Zu spät?«, unterbrach er das Selbstgespräch des Herrn von Wasserberg. »Was willst du damit sagen?«
    Der Elbe starrte ihn verblüfft an. »Du hast verstanden, was ich gesagt habe?«, fragte er.
    Lluis griff nach einem Birnenschnitz und schob ihn in den Mund. »Ja natürlich«, sagte er kauend. Mit jedem Bissen schien etwas von seiner Kraft zurückzukehren.
    Uldis schüttelte den Kopf. »Wirklich eigenartig«, sagte er. »Drei Tage hast du hier gelegen, ohne auch nur das mindeste Zeichen von wachem Geist und Bewusstsein zu zeigen. Ich dachte, es wäre wie bei all den anderen, die ihre Initiation nicht überstanden haben.« Lluis hörte auf zu kauen. Der Elbe ging zum Fenster, wo er mit nachdenklich gesenktem Kopf stehen blieb. »Ich weiß nicht, wie lange sie fortbleiben wird«, sagte er. »Wenn ich es doch nur wagen würde, dich von hier wegzubringen. Aber sie wird dich aufspüren – du gehörst ihr, und Chaantrea hängt an ihrem Eigentum, vor allem, weil sie dich noch braucht.« Er stand unschlüssig da, die Hände ineinander verkrampft, dann hob er den Kopf und kam wieder an Lluigolfs Lager. »Komm«, sagte er entschlossen. »Wir wollen es dennoch versuchen.«
    Lluis, der Mühe hatte, den Gedankengängen seines Gastgebers zu folgen, runzelte die Stirn. »Was wollen wir versuchen?«, fragte er.
    Uldis griff nach seinem Ellbogen. »Steh auf, Junge«, drängte er. »Bei der Liebe deiner Mutter – steh auf!«
    Lluis gehorchte erschreckt. Oder vielmehr wollte er gehorchen, aber seine Gliedmaßen verweigerten ihren Dienst. Nur mit Mühe und der kräftigen Unterstützung des Herrn von Wasserberg schaffte er es aufzustehen und musste gleich darauf, an allen Gliedern zitternd, an der Wand Halt suchen. »Was ist das?«, fragte er halb ärgerlich und halb geängstigt. »Bin ich krank?«
    Der Elbe antwortete nicht. Er hakte seinen Arm unter Lluigolfs und trug ihn fast zur Tür. Lluis bemerkte, dass der Elbe bleich war und feine Schweißperlen seine Stirn bedeckten.
    Uldis benötigte eine Weile, um die Tür zu öffnen. Seine Hände waren unruhig, und der Schlüssel, mit dem er beim Eintreten hinter sich abgeschlossen hatte, entglitt ihm mehrfach, bevor es ihm gelang, ihn ins Schlüsselloch zu stecken. Lluis, der schwer am Arm des Elben hing, kämpfte derweil darum, die Kontrolle über seinen Körper wiederzuerlangen. Diese Anstrengung trieb ihm ebenfalls den kalten Schweiß auf die Stirn und ließ für einige Momente seine Sicht verschwimmen. Als sein Blick sich wieder klärte, blieben seine Augen staunend an dem Zimmer hängen, in dem er die letzten Tage verbracht hatte. Statt der inzwischen vertraut gewordenen Eleganz der schönen dunklen Möbel und üppig gemusterten Polster gewahrte er eine unfreundliche kahle Mönchszelle mit nackten Wänden und rauem Holzboden, in deren Ecke nur eine armselige Holzpritsche statt des weichen Ruhebettes stand. Er keuchte und schloss die Augen, und als er sie wieder öffnete, erblickte er die vertraute Umgebung.
    Sein kurzes Erschrecken war Uldis nicht verborgen geblieben. »Hast du etwas gehört?«, fragte er.
    Lluis, der inzwischen weitgehend auf eigenen Füßen stehen konnte, erwiderte: »Nein, nicht gehört, aber gesehen.« Er schilderte die seltsame Erscheinung, und Uldis erwiderte darauf nur rätselhaft: »Bemerkenswerter Bursche.« Dann schob er die Tür endlich weit auf. »Geh, so schnell du kannst«, sagte er, und Lluis setzte sich gehorsam in Bewegung. Erst als sie an der Treppe angelangt waren, begriff er, was gerade geschah. »Warum?«, fragte er, und es kostete ihn eine gewisse Mühe, die Frage weiter auszuführen: »Warum müssen wir fort? Und wohin gehen wir?«
    Â»Schwatz nicht«, sagte der Elbe. »Wir haben später Zeit dafür. Geh weiter!«
    Lluis schleppte sich die Treppe hinunter. An ihrem Fuß musste er verschnaufen, und der Herr von Wasserberg ebenso. Lluis wunderte sich. War Chaantreas Vater – oder was immer der Elbe sein mochte – ebenfalls krank? Was war es nur, das ihn und Uldis so schwächte? Elben kannten keine Krankheiten, und selbst er als Halbelbe war bislang weitgehend von
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