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Die Seele der Nacht

Die Seele der Nacht

Titel: Die Seele der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrike Schweikert
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gegen uns aufbringen. Wer weiß, ob uns unser Weg nicht noch einmal durch ihre Schlucht führt.« Sie stellte die Flasche auf einen Felsvorsprung.
    Wurgluck brummte unwillig. »Ich nehme an, unser Weg wird sowieso zu Ende sein, wenn wir die Burg des Lords gefunden haben. Aber vermutlich macht es keinen Unterschied, ob wir ein wenig Kristallwasser bei uns haben oder nicht, wenn wir vor ihm stehen und in seine grausamen Augen blicken.«
    Sie machten sich auf den Weg. Immer wieder kamen sie zu Kreuzungen oder Abzweigungen, doch Wurgluck trippelte voran, ohne auch nur einmal zu zögern. Endlich schimmerte ihnen fahles Grau entgegen. Der Tag neigte sich. Rasch kletterten die beiden auf den Felsgrund hinunter, wo die Stute mit dem Gepäck auf sie wartete. Sie schnaubte nervös und legte immer wieder die Ohren an.
    Tahâma tätschelte sanft ihre Nüstern und griff nach den Zügeln. »Mir gefällt es hier auch nicht besonders. Komm, sehen wir zu, dass wir diese Schlucht hinter uns lassen!«
     

Kapitel 14
Der Schattenlord
    Sie folgten der enger werdenden Schlucht. Der Himmel schien von ihnen wegzurücken, und die Felsen traten immer wieder so nah zusammen, dass das Pferd kaum hindurchkam. Rasch wurde es dunkel, nur das bleiche Licht des Kristalls wies ihnen den Weg. Ab und zu versperrten dicht gewebte Netze den Durchgang, aber Krísodul schmolz die Fäden weg. Die ganze Nacht folgten sie ihrem Weg. Jeder Schritt wurde ihnen schwerer. Nicht allein die Müdigkeit ließ sie zaudern; etwas Drückendes, Böses schien die Luft zu beschweren. »Hat diese Schlucht denn gar kein Ende«, maulte der Erdgnom, als der herannahende Tag den winzigen Streifen Himmel über ihren Köpfen färbte, doch der Spalt schlängelte sich weiter und weiter ins Gebirge hinein. Die Freunde rasteten für eine Stunde und tranken ein wenig aus ihren Wasserschläuchen, dann drängte Tahâma schon wieder zum Aufbruch. Die Schlucht schlug nun einen weiten Bogen nach Norden, die Felsen schoben sich noch enger zusammen und vereinten sich zu einer glatten Wand. Am Fuß jedoch öffnete sich eine schmale Höhle, aus der ein Rinnsal floss, das bald schon im Grund der Schlucht versickerte. Das Wasser schien gut zu sein, daher füllten sie ihre Schläuche, ehe sie die Höhle betraten.
    Tahâma zog die Stute hinter sich in die Felsspalte. Forsch schritt sie voran, obwohl sie fürchtete, schon bald in die Irre zu gehen. Zu rasch waren die Bilder in den Augen Crachnas vorbeigehuscht, als dass sie hoffen durfte, sich den Weg genau gemerkt zu haben. Zuerst zog sich der Gang, eben und breit, langsam ansteigend in den Berg hinein, aber schon bald gabelte er sich.
    Unschlüssig blieb Tahâma stehen. »Ich weiß, dass wir an einen grünen See gelangen müssen, aber den Weg zu ihm kenne ich nicht«, sagte sie und sah ratlos in jeden der drei Gänge.
    »Vielleicht rinnt ja dieser Bachlauf von dem See herab«, gab der Erdgnom zu bedenken.
    Tahâmas Züge entspannten sich. »Natürlich, du hast Recht. Dass ich das nicht selbst gesehen habe.« Sie lächelte ihn an. »Ach, Wurgluck, ohne dich wäre ich schon längst gescheitert. Und wie einsam wären meine Tage ohne einen Freund an meiner Seite.« Ihre Lippen zitterten. »Ich vermisse ihn so sehr. Es ist eine Verletzung, tiefer als eine blutende Wunde reichen kann, und ein Schmerz, der meine Sinne betäubt.«
    Wurgluck tätschelte ihre Hände. »Ja, ich weiß, mein Kind.«
    Sie wählten den mittleren Gang, an dessen Seite ihnen das klare Wasser entgegenlief. Das Klappern der Hufe erfüllte wieder die Höhle und übertönte die Worte des Erdgnoms:
    »Und wenn ich mich nicht täusche, dann steht dir noch viel ärgerer Schmerz bevor. Ich fürchte um deine Seele.«
    Tahâma stapfte weiter, Wurgluck folgte in einigem Abstand. Viele Stunden waren sie unterwegs. Ab und zu legten sie eine kurze Rast ein, aber trotz Wurglucks Rat, ihre Kräfte aufzusparen, fand Tahâma keinen Schlaf mehr. Etwas, das sich ihrem Willen entzog, trieb sie an.
    Zwei Tage lang folgten sie dem Bachlauf, der an ihrer Seite plätscherte, dann plötzlich wichen die Wände zurück. Über ihnen wölbte sich ein blauer Himmel, und vor ihnen lag der grüne See in einem rundum geschlossenen Talkessel. Die Felswände ragten viele hundert Schritte senkrecht in die Höhe und waren so glatt, dass nicht einmal Moos an ihnen Halt finden konnte. Sie sahen aus wie schwarzes Glas, in dem sich der Himmel und das Wasser spiegelten.
    Ein überwältigender Anblick! Staunend blieben

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