Die Seele des Feuers - 10
mich mit ihr unterhielt, schien sie sich sehr für Direktor Linscott zu interessieren – du weißt schon, sie beobachtete ihn und versuchte gleichzeitig so zu tun, als tue sie es nicht, außerdem sah sie sich ständig um, weil sie sehen wollte, ob jemand mitbekam, daß sie ihn anstarrte.«
Auf ihre Beobachtungen war stets Verlaß, nie waren sie mit Vermutungen ausgeschmückt, die nicht als solche zu erkennen waren.
»Warum, glaubst du, war sie vorhin so unverschämt, den anderen Frauen zu erzählen, der Minister habe sie mit Gewalt genommen?«
»Ich denke, daß sie den anderen von dem Minister erzählt hat, sollte ihrem eigenen Schutz dienen. Vermutlich ist sie zu dem Schluß gekommen, wenn die Menschen bereits davon wissen, läuft sie nicht mehr Gefahr, zum Schweigen gebracht zu werden, damit niemand davon erfährt. Aus irgendeinem Grund jedoch wurde sie plötzlich vorsichtig. Aber wie gesagt, sie hat sich sehr für den Direktor interessiert und gleichzeitig so getan, als wäre dem nicht so.«
Teresa überließ es ihm, seine eigenen Schlüsse zu ziehen. Dalton beugte sich über sie und erhob sich. »Vielen Dank, mein Liebling. Wenn du mich kurz entschuldigen würdest, ich muß mich um Geschäftliches kümmern.«
Sie ergriff seine Hand. »Vergiß nicht, du hast versprochen, mich dem Herrscher vorzustellen.«
Dalton küßte sie zart auf die Wange, bevor er mit dem Minister einen flüchtigen Blick wechselte. Teresas Bemerkung bestätigte ihn nur in dem Glauben an die Klugheit seines Plans. Es stand viel auf dem Spiel. Direktor Linscott konnte überaus aufdringliche Fragen stellen. Dalton war einigermaßen sicher, daß die von den beiden Burschen überbrachte Warnung Claudine zum Schweigen gebracht hatte, wenn aber nicht, würde sie dies der Fähigkeit berauben, weiter Zwietracht zu säen. Er nickte leicht in Bertrands Richtung.
Dalton schlenderte durch den Saal, blieb an verschiedenen Tischen stehen, beugte sich über sie, begrüßte Leute, die er kannte, schnappte dort einen Scherz, hier ein Gerücht auf, hörte sich das eine oder andere Angebot an und versprach, mit einigen zusammenzukommen. Ein jeder hielt ihn für einen Beauftragten des Ministers, der die Ehrentafel verlassen hatte, um eine Runde um die Tische zu machen und dafür zu sorgen, daß jeder sein Vergnügen hatte.
Als er schließlich an seinem eigentlichen Bestimmungsort anlangte, zeigte er ein herzliches Lächeln. »Ich hoffe sehr, Claudine, es geht Euch wieder besser. Teresa schlug vor, ich solle mich nach Euch erkundigen, ob Ihr vielleicht etwas braucht – wo Edwin doch nicht hier sein kann.«
Sie ließ ihn eine einigermaßen glaubwürdige Nachahmung eines aufrichtigen Lächelns sehen. »Ihre Gattin ist überaus freundlich, Meister Campbell. Es geht mir gut, danke. Das Essen und die Gesellschaft haben mich wieder aufgerichtet. Bitte richtet Ihr aus, ich fühle mich schon sehr viel besser.«
»Es freut mich, das zu hören.« Dalton beugte sich dicht an ihr Ohr. »Ich hatte die Absicht, Edwin – und Euch – ein Angebot zu unterbreiten, es widerstrebt mir jedoch, Euch darum zu bitten, nicht nur, weil Edwin derzeit nicht in der Stadt weilt, sondern auch wegen Eures unglücklichen Sturzes. Ich möchte Euch keine Arbeit zumuten, solange Ihr dieser Angelegenheit nicht gewachsen seid, sucht mich also bitte auf, sobald Ihr wieder bei entsprechender Verfassung seid.«
Sie drehte sich und sah ihn finster an. »Danke für Euer Interesse, aber es geht mir gut. Wenn es um ein Geschäft geht, das Edwin betrifft, so würde er wollen, daß ich es mir anhöre. Wir arbeiten eng zusammen und haben in geschäftlichen Dingen keinerlei Geheimnisse voreinander. Wie Ihr sehr wohl wißt, Meister Campbell.«
Dalton wußte es nicht nur, er zählte sogar darauf. Er ging leicht in die Hocke, während sie ihren Stuhl vom Tisch abrückte, um sich aus der Gesprächsrunde am Tisch zu entfernen.
»Bitte verzeiht mir meine Vermutung. Nun, Ihr müßt wissen«, begann er, »der Minister empfindet tiefes Mitgefühl für jene Männer, die nicht imstande sind, ihre Familie auf andere Weise als durch Betteln zu ernähren. Selbst wenn es ihnen gelingt, Lebensmittel zu erbetteln, fehlt es ihren Familien nach wie vor an Kleidung, einer angemessenen Unterkunft und anderen Notwendigkeiten. Trotz der Barmherzigkeit freundlicher Anderier gehen viele Kinder mit einem quälenden Hungergefühl im Bauch zu Bett. Sowohl Hakenier als auch Anderier erleiden dieses Schicksal, und der
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