Die Seele des Feuers - 10
ein Opfer sie erblickt, teilweise nach dem Verlangen dieses Opfers formen, und dieses Verlangen sei unwiderstehlich. Offenbar ist das die Methode, mit der sie Menschen in den Tod locken.
Vielleicht ist es das, was Juni widerfahren ist. Vielleicht hat er etwas so Schönes gesehen, daß er seine Waffen und sein Urteilsvermögen, ja sogar seinen gesunden Menschenverstand aufgab und der Chimäre bis ins Wasser folgte, wo er dann ertrank.
Andere wiederum sehnen sich nach Aufmerksamkeit und haben es gerne, wenn man sie vergöttert. Vermutlich teilen sie des Hüters Gier nach Verehrung, da sie ebenfalls aus der Unterwelt stammen. Es hieß, einige von ihnen beschützten ihre kritiklosen Bewunderer sogar, was jedoch ein gefährlicher Balanceakt sei. Laut Kolo lullt es sie ein. Hört man jedoch auf, sie zu verehren, wenden sie sich gegen einen.
Am meisten Freude bereitet ihnen die Jagd, der sie niemals müde werden. Sie machen Jagd auf Menschen und kennen dabei kein Erbarmen. Vor allem töten sie gerne mit Feuer.
Die vollständige Übersetzung ihres Namens aus dem Hoch-D’Haran bedeutet ungefähr ›die Chimären des Verderbens‹, oder auch die ›Chimären des Todes‹.«
Du Chaillu runzelte schweigend die Stirn. Die meiste Zeit über gelang es den Meistern der Klinge der Baka Tau Mana, einen unbekümmerten, zurückhaltenden und entspannten Eindruck zu erwecken, dennoch hatte sich eine Unruhe in ihr Verhalten eingeschlichen, die für Richard unübersehbar war.
»Wie auch immer«, meinte Cara seufzend, »ich denke, wir können uns jetzt ein ungefähres Bild machen.«
Schließlich ergriff Chandalen, der aufmerksam zugehört hatte, das Wort. »Aber du bist anderer Ansicht, Mutter Konfessor? Du glaubst, was Zedd gesagt hat, daß es sich nicht um diese Chimären des Todes handelt?«
Kahlans und Richards Blicke kreuzten sich, bevor sie das Wort an Chandalen richtete. Sie klang nicht erbost.
»Zedds Erklärung des Problems ist in vielerlei Hinsicht ähnlich und könnte die Vorfälle daher ebenso leicht erklären, doch gerade weil sie ähnlich ist, wird das Problem dadurch nicht geringer. Nach seinen Worten liegt der entscheidende Unterschied darin, daß wir der schwierigen Situation gleich nach unserem Eintreffen in Aydindril ein Ende machen können. Auch wenn es mir widerstrebt, ich behaupte nach wie vor, Zedd hat recht. Ich glaube nicht, daß es sich um diese Chimären handelt.«
»Ich wünschte wirklich, es wäre so. Nun sobald wir Aydindril erreichen, könnten wir dem entgegenwirken«, meinte Richard. »Trotzdem handelt es sich um die Chimären. Ich könnte mir vorstellen, Zedd wollte uns einfach in Sicherheit wissen, während er sich um die Lösung des Problems kümmert, wie man die Chimären wieder in die Unterwelt zurücktreiben kann.«
»Lord Rahl ist die Magie gegen die Magie«, sagte Cara, an Kahlan gewandt. »Er versteht sich sicherlich am besten auf diese Dinge. Wenn er der Meinung ist, es sind die Chimären, dann sind es auch die Chimären.«
Kahlan warf sich mit einem verzweifelten Seufzer das lange Haar über die Schulter.
»Das redest du dir doch nur ein, Richard. Du sprichst davon, als sei es die Wahrheit, und schon beginnst du, Cara ebenso zu überzeugen wie dich selbst. Du glaubst, es stimmt, und schon schenkst du der Sache mehr Glauben, als sie tatsächlich verdient.«
Offenbar wollte sie an das Erste Gesetz der Magie erinnern und unterstellte ihm, er sei einer Lüge aufgesessen.
Richard versuchte die glühende Entschlossenheit einzuschätzen, die sich so überdeutlich in ihren grünen Augen zeigte. Er war auf ihre Hilfe angewiesen; allein konnte er sich dem Problem nicht stellen.
Schließlich entschied er, daß ihm nichts anderes übrig blieb. Er bat alle zu warten, legte einen Arm um ihre Schultern und führte sie ein Stück fort, bis er sicher war, daß die anderen nicht mithören konnten.
Er war darauf angewiesen, daß sie ihm glaubte; er hatte längst keine andere Wahl mehr.
Er mußte es ihr erzählen.
29. Kapitel
Kahlan ließ sich von ihm bereitwillig ein Stück durch das feuchte Gras führen. Sie war eher bereit, mit ihm allein zu diskutieren, als vor all den anderen; Richard seinerseits hatte ebenfalls keine Lust, ihr vor allen anderen zu erklären, was er zu sagen hatte.
Über seine Schulter sah Richard Chandalens Jäger, die wie beiläufig dastanden, auf ihre Speere gestützt, Speere, die in Gift getaucht waren. Sie schienen träge darauf zu warten, daß Richard und Kahlan ihre
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