Die Seele des Feuers - 10
– alle nannten ihn so. Doch sein richtiger Name war Joseph Ander.«
32. Kapitel
Richard hatte das Gefühl, als ob die widersprüchlichen Gedanken in seinem Kopf sich bekriegten. Einerseits suchte er verzweifelt nach einer Lösung für die gespenstisch irreale Bedrohung, gleichzeitig verfolgten ihn die Bilder endlos marschierender Truppen, die aus der Alten Welt ins Land strömten.
»Also gut«, rief er und streckte eine Hand aus, um zu verhindern, daß alle durcheinanderredeten. »Also gut. Immer mit der Ruhe. Denken wir über die Sache nach.«
»Die gesamte Welt könnte den Chimären erlegen sein, bevor es Jagang gelingt, die Midlands zu erobern«, erklärte Kahlan. »Wir müssen uns vor allem um die Chimären kümmern – davon hast du mich überzeugt. Nicht einfach nur deshalb, weil die Welt des Lebendigen womöglich ohne Magie nicht überleben kann, sondern weil wir Magie brauchen, um Jagang entgegenzuwirken. Nichts käme ihm mehr gelegen, als wenn wir ihn mit dem Schwert allein bekämpfen würden.
Wir müssen unbedingt nach Aydindril. Du hast es selbst gesagt: Was wäre, wenn das, was Zedd über das Fläschchen in der Burg der Zauberer sagte und was wir damit anstellen müssen, der Wahrheit entspricht? Wenn es uns nicht gelingt, unseren Auftrag zu erfüllen, helfen wir den Chimären womöglich bei der Eroberung der Welt des Lebendigen. Wenn wir nicht rechtzeitig handeln, ist es vielleicht für immer zu spät.«
»Und ich brauche unbedingt wieder einen funktionierenden Strafer«, sagte Cara mit quälender Ungeduld, »sonst kann ich Euch beide nicht so beschützen, wie es meine Pflicht wäre. Ich sage auch, wir müssen nach Aydindril und den Chimären Einhalt gebieten.«
Richards Blick wanderte zwischen den beiden Frauen hin und her. »Schön. Aber wie wollen wir den Chimären Einhalt gebieten, wenn Zedds Auftrag nichts weiter als eine Art Aprilscherz ist, damit wir ihm nicht in die Quere kommen? Wenn er lediglich um uns besorgt ist und nicht möchte, daß uns etwas zustößt, während er sich selber des Problems annehmen will?
Ihr wißt schon, wie zum Beispiel ein Vater, der einen verdächtigen Fremden kommen sieht und seinen Kindern sagt, sie sollen rasch ins Haus laufen und das Feuerholz in der Kiste nachzählen.«
Richard betrachtete die beiden Gesichter mit einem Gefühl verbitterter Verzweiflung. »Ich meine, es ist eine durchaus nützliche Information, daß dieser Joseph Ander, ausgesandt, den Chimären Einhalt zu gebieten, derselbe war, der dieses Land Anderith begründet hat. Möglicherweise ist das von Bedeutung, und möglicherweise war Zedd sich dieser Bedeutung nicht bewußt. Das soll nicht heißen, daß wir nach Anderith gehen sollten. Die Seelen wissen, auch ich will nach Aydindril. Ich möchte nur kein wichtiges Detail übersehen.« Richard preßte die Finger an die Schläfen. »Ich weiß einfach nicht, was ich tun soll.«
»Dann sollten wir nach Aydindril gehen«, meinte Kahlan. »Zumindest wissen wir, daß wir dort eine Chance haben.«
Richard dachte über diese Möglichkeit laut nach. »Vielleicht wäre das das beste. Was wäre schließlich, wenn der ›Berg‹, Joseph Ander, den Chimären ganz woanders, ganz am anderen Ende der Midlands, Einhalt geboten hätte – und danach in seinem späteren Leben, irgendwann nach dem Krieg vielleicht, geholfen hätte, dieses Land, das jetzt den Namen Anderith trägt, ins Leben zu rufen?«
»Genau. In diesem Fall müßten wir so schnell wie möglich nach Aydindril«, beharrte Kahlan. »Und darauf hoffen, den Chimären dadurch das Handwerk zu legen.«
»Hört zu«, sagte Richard und bat mit erhobenem Finger um Geduld, »der Meinung bin ich auch, nur wie sollen wir die Chimären aufhalten, wenn das alles vergeblich ist? Wenn alles Teil von Zedds Täuschungsmanöver ist? Dann hätten wir gegen keine der beiden Bedrohungen etwas unternommen. Diese Möglichkeit müssen wir ebenfalls in Betracht ziehen.«
»Lord Rahl«, ging Cara dazwischen, »eine Reise nach Aydindril wäre trotzdem sinnvoll. Dort könntet Ihr Euch nicht nur Euer Schwert wiederholen und tun, worum Zedd Euch gebeten hat, auch Kolos Tagebuch stünde Euch wieder zur Verfügung. Berdine ist ebenfalls dort. Sie kann Euch bei der Übersetzung helfen. Bestimmt hat sie während unserer Abwesenheit daran gearbeitet; vielleicht hat sie inzwischen mehr über die Chimären in Erfahrung gebracht. Vielleicht hat sie längst Antworten gefunden, die nur darauf warten, daß Ihr sie Euch anseht.
Weitere Kostenlose Bücher