Die Seele des Feuers - 10
eine große Gefahr für den Caharin. Einigen Männern von Rang, die wir gefangengenommen haben, war der Name ›Richard Rahl‹ bekannt. Aus diesem Grund mußte ich kommen und dich warnen. Du bist in dieser Armee namentlich bekannt. Du hast ihnen mehrere Schläge versetzt und ihre Pläne durchkreuzt. Sie hegen einen großen Haß gegen dich. Das haben uns ihre eigenen Leute erzählt.«
»Wäre es möglich, daß deine Visionen von mir und den Flammen in Wahrheit die Flammen des Hasses meinen, den diese Menschen für mich empfinden?«
Du Chaillu dachte lange über seine Frage nach. »Du kennst dich mit Visionen aus, mein Gemahl. Es könnte sich tatsächlich so verhalten, wie du sagst. Eine Vision bedeutet nicht immer das, was sie zeigt. Manchmal deutet sie lediglich eine bestimmte Möglichkeit an – eine Gefahr, die man im Auge behalten sollte. Dann wieder verhält es sich so, wie du sagst. Sie ist eine Vision des Eindrucks, den eine Vorstellung hinterlassen hat, und nichts, was tatsächlich geschieht.«
Kahlan packte Du Chaillu am Ärmel. »Aber wohin marschieren sie nun? Irgendwo werden sie nach Norden Richtung Midlands abschwenken. Hast du herausgefunden, wo? Wir müssen unbedingt wissen, wo sie nach Norden schwenken werden.«
»Nein«, erwiderte Du Chaillu, verwirrt von ihrer Überraschtheit. »Sie planen, dem Küstenverlauf des großen Wassers zu folgen.«
»Des Meeres?« fragte Kahlan ungläubig.
»Ja, so nannten sie es. Sie wollen am großen Wasser entlangmarschieren und nach Westen ziehen. Die Männer kannten den Namen ihres Bestimmungsortes nicht, sie wußten nur, daß sie weit nach Westen marschieren würden, in ein Land, das, wie du sagst, über gewaltige Lebensmittelvorräte verfügt.«
Kahlan ließ den Ärmel der Frau los. »Bei den Gütigen Seelen«, meinte sie leise, »jetzt stecken wir in Schwierigkeiten.«
»Das würde ich auch sagen«, meinte Richard und ballte eine Faust. »General Reibisch steht weit östlich von hier und marschiert in die falsche Richtung.«
»Es ist noch schlimmer«, meinte Kahlan, während sie sich nach Südwesten drehte, als könnte sie sehen, wohin die Imperiale Ordnung marschierte.
»Aber ja«, hauchte Richard. »Dort liegt das Land, von dem Zedd sprach, in der Nähe dieses Nareef-Tales, dieses abgeschiedene Land südwestlich von hier, das Unmengen von Getreide produziert. Hab ich recht?«
»Ja«, meinte Kahlan, den Blick unverwandt auf den Horizont gerichtet. »Jagang ist unterwegs in die Kornkammer der Midlands.«
»Nach Toscia«, ergänzte Richard, als ihm wieder einfiel, wie Zedd das Land genannt hatte.
Kahlan wandte sich wieder zu ihm um und nickte verzweifelt, schicksalsergeben.
»Es sieht ganz so aus«, meinte sie. »Ich hätte nie gedacht, daß Jagang einen derartigen Umweg machen würde. Ich hatte angenommen, er würde überfallartig in die Neue Welt einmarschieren, um uns keine Gelegenheit zu geben, unsere Streitkräfte zu sammeln.«
»Das hatte ich auch erwartet, General Reibisch war der gleichen Ansicht. Jetzt eilt er herbei, um einen Paß zu sichern, den Jagang überhaupt nicht benutzen wird.«
Richard tippte mit dem Finger auf sein Knie und überdachte ihre Alternativen. »Zumindest gewinnen wir dadurch vielleicht Zeit – außerdem kennen wir jetzt das Ziel der Imperialen Ordnung: Toscia.«
Kahlan schüttelte den Kopf. Sie schien ebenfalls ihre Möglichkeiten zu überdenken. »Zedd kannte den Ort unter einem alten Namen. Der Name des Landes hat sich im Lauf der Zeit verändert. Es war unter anderem bekannt unter den Namen Vengra, Vendice und Turalan. Toscia wird es schon seit geraumer Zeit nicht mehr genannt.«
»Aha«, machte Richard, der nicht wirklich zuhörte, sondern begann, in Gedanken eine Liste mit Dingen zu erstellen, die es abzuwägen galt. »Und wie heißt es jetzt?«
»Jetzt heißt es Anderith«, sagte sie.
Richard sah auf. Er spürte, wie ein eiskaltes Kribbeln durch seine Schenkel nach oben kroch. »Anderith? Warum das? Wieso wird es Anderith genannt?«
Kahlan runzelte die Stirn, als sie den Ausdruck auf seinem Gesicht bemerkte. »Es wurde nach einem der Gründungsväter so benannt. Sein Name lautete Ander.«
Das Kribbeln schoß durch Richards Arme und Rücken bis ganz nach oben.
»Ander.« Er sah sie verständnislos an. »Joseph Ander?«
»Woher weißt du das?«
»Der Zauberer, der ›Berg‹ genannt wurde? Der, wie Kolo schreibt, ausgesandt wurde, um sich der Chimären anzunehmen?« Kahlan nickte. »Das war sein Beiname
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