Die Seele des Feuers - 10
zu unternehmen.«
Sie schüttelte verzweifelt den Kopf. »Es war ein grauenhafter Anblick, Richard. Ein Haufen blutiger Knochen inmitten eines … eines blutverkrusteten Fleischklumpens. Man konnte Haare darin erkennen – Teile der Kopfhaut. Und die Kleidung. Ich sah einige Fingernägel und das zu einer Spirale gedrehte Fleisch einer Fingerspitze, aber darüber hinaus vermochte ich kaum etwas zu erkennen. Wären da nicht die paar Stücke und Knochen gewesen, man hätte nicht einmal gewußt, daß es sich um einen Menschen handelte.«
»Dann besteht kein Zweifel; diese Glocken verwenden Magie«, sagte Richard. »Wie weit reicht ihre tödliche Wirkung? Und wie schnell wirkt sie?«
»Wie ich es verstanden habe, töten die Dominie Dirtch jeden vor ihnen, etwa so weit, wie das Auge reicht. Sind sie erst einmal angeschlagen worden, kann ein Eindringling nur noch ein, zwei Schritte weitergehen, bevor seine Haut einer katastrophalen Zerreißprobe ausgesetzt wird. Muskeln und Haut beginnen sich von den Knochen zu lösen. Sein Inneres – Herz, Lungen, alles – fällt unten aus dem Brustkorb, da sämtliche Eingeweide nachgeben. Man kann sich nicht dagegen schützen. Hat es einmal angefangen, sterben alle, die sich vor den Dominie Dirtch aufhalten.«
»Könnten sich bei Nacht Eindringlinge anschleichen?« fragte Richard.
Kahlan schüttelte den Kopf. »Das Gelände ist so flach, daß die Verteidiger meilenweit sehen können. Nachts können bei Bedarf Fackeln angezündet werden. Zusätzlich erstreckt sich vor der gesamten Linie ein Graben, so daß niemand ungesehen durch das Gras oder den Weizen heranrobben kann. Solange die Reihe der Dominie Dirtch bemannt ist, ist ein Passieren unmöglich. Zumindest hat dies seit Tausenden von Jahren niemand mehr geschafft.«
»Spielt die Zahl der Invasoren eine Rolle?«
»Soweit mir bekannt ist, sind die Dominie Dirtch imstande, jede beliebige Anzahl Soldaten zu töten, die sich vor ihnen zum Angriff auf Anderith und diese steinernen Glocken versammelt, solange sie von den verteidigenden Soldaten angeschlagen werden.«
»Also auch eine ganze Armee…«, meinte Richard leise bei sich.
»Ich weiß, was du denkst, Richard, aber seit die Chimären auf freiem Fuß sind, ist die Magie im Schwinden begriffen. Es wäre geradezu tollkühn, sich auf die Dominie Dirtch zu verlassen, um Jagangs Armee aufzuhalten.«
Richard betrachtete Du Chaillu, die ein Stück entfernt im Gras kauerte, den Kopf in den Händen. Sie weinte noch immer.
»Aber du hast doch gesagt, Anderith besitze eine große Armee.«
Kahlan stöhnte ungehalten. »Richard, du hast Zedd versprochen, wir würden nach Aydindril gehen.«
»Stimmt. Nur habe ich nicht gesagt, wann.«
»Aber du hast es durchblicken lassen.«
Er drehte sich um und sah ihr ins Gesicht. »Es wäre kein Bruch des Versprechens, vorher erst noch einen anderen Ort aufzusuchen.«
»Richard…«
»Kahlan, möglicherweise sieht Jagang jetzt, da die Magie schwindet, seine Chance, Anderith mit Erfolg zu erobern und dessen Nahrungsmittelvorräte zu erbeuten.«
»Das wäre schlecht für uns, doch die Midlands verfügen noch über andere Nahrungsmittelquellen.«
»Und wenn Nahrungsmittel nicht der einzige Grund sind, weswegen Jagang nach Anderith marschiert?« Richard zog vielsagend eine Braue hoch. »Er hat mit der Gabe gesegnete Personen in seinem Troß. Sie wissen ohne Zweifel ebensogut wie Zedd und Ann, daß die Magie im Schwinden begriffen ist. Was, wenn sie dahinterkommen, daß die Chimären der Grund dafür sind? Was, wenn Jagang darin seine Chance sieht, ein bis dahin unbesiegbares Land zu erobern, um schließlich, wenn die Dinge sich wieder ändern, wenn die Chimären vertrieben sind …?«
»Er kann unmöglich wissen, daß die Chimären der Auslöser sind, doch selbst wenn, woher soll er wissen, wie er sie vertreiben kann?«
»Er hat einige mit der Gabe Gesegnete dabei, mit der Gabe Gesegnete aus dem Palast der Propheten. Diese Männer und Frauen haben sich ausgiebig mit den Büchern in den dortigen Gewölbekellern befaßt, und das über viele Jahrhunderte. Ich vermag mir nicht vorzustellen, was sie alles wissen. Du etwa?«
Angesichts der Möglichkeiten und Zusammenhänge, die sich daraus ergaben, nahm Kahlans Gesicht einen bestürzten Zug an. »Du glaubst, sie wissen einen Weg, die Chimären zu vertreiben?«
»Keine Ahnung. Aber wenn doch – oder wenn sie nach Anderith marschieren und dort die Lösung finden –, stell dir vor, was das bedeuten
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