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Die Seele des Feuers - 10

Die Seele des Feuers - 10

Titel: Die Seele des Feuers - 10 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Goodkind
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Fenster ihrer Laterne fiel über die Plattform mit der winzigen Leiche.
    Sie ging näher heran und fuhr zusammen, als sie spürte, wie ein harter Käfer unter ihrem nackten Fuß knackend zerplatzte, doch die Tragödie, die sich dort auf der Plattform vor ihr offenbarte, ließ sie augenblicklich alle Vorsicht vergessen und regungslos verharren. Kleine Arme ragten starr ins Nichts. Steife Beine, mit nur einem Zoll Spielraum unter den Fersen. Winzige, leicht geöffnete Hände. So winzig kleine Finger waren kaum vorstellbar.
    Kahlan spürte, wie der Kloß in ihrem Hals immer mehr anschwoll. Sie schlug sich die Hand vor den Mund, um den unerwarteten Schrei angesichts dessen, was sich hier wohl zugetragen hatte, zu unterdrücken. Das arme Ding. Die arme Mutter.
    Hinter sich vernahm sie ein seltsames, sich unablässig wiederholendes Geräusch. Während sie die kleine leblose Gestalt anstarrte, versuchte sie aus dem leisen, abgehackten Schmatzen klug zu werden. Es hielt inne, setzte erneut ein, hielt wieder inne. Zerstreut tat sie es als tropfendes Wasser ab.
    Unfähig, zu widerstehen, streckte Kahlan eine Hand aus. Voller Zartgefühl legte sie ihren Finger in die Mulde der winzig kleinen Hand; diese war mit ihrem einen Finger vollkommen ausgefüllt. Fast erwartete sie, die Finger würden sich um ihren schließen, doch das taten sie nicht.
    Ein weiteres Schluchzen unterdrückend, spürte sie, wie ihr eine vereinzelte Träne über die Wange rann. Kahlan hatte so viel Tod gesehen, so viele Leichen, ihr war unerklärlich, wieso ihr diese eine derart zusetzte, doch genau so war es.
    Sie brach zusammen und weinte um das namenlose Kind. In der Einsamkeit des Hauses für die Toten ging ihr das Herz über angesichts dieses ungelebten Lebens, angesichts dieses Gefäßes, das seelenlos in die Welt gesetzt worden war.
    Unterdessen wurde das Geräusch hinter ihr dermaßen aufdringlich, daß sie sich umdrehte, um herauszufinden, was sie bei ihrem Gebet an die Guten Seelen störte.
    Kahlan blieb das Schluchzen in der Kehle stecken; ihr stockte der Atem.
    Dort auf Junis Brust hockte ein Huhn.
    Und hackte ihm die Augen aus.

10. Kapitel
    Kahlan wollte das Huhn von der Leiche fortscheuchen, konnte sich aber nicht recht überwinden. Das Tier verdrehte ein Auge, um sie zu betrachten, während es seelenruhig weiterpickte.
    Pick, pick. Pick. Pick. Pick. Das war das Geräusch, das sie gehört hatte.
    »Schsch!« Sie versuchte den Vogel mit einer schnellen Handbewegung zu vertreiben. »Schsch!«
    Es mußte wegen der Käfer hergekommen sein. Deshalb war es hier. Wegen der Käfer.
    Irgendwie gelang es ihr nicht, sich selbst davon zu überzeugen.
    »Schsch! Laß ihn in Ruhe!«
    Fauchend, mit aufgestellten Halsfedern, hob das Huhn den Kopf.
    Kahlan wich zurück.
    Die Krallen in das steife, tote Fleisch geschlagen, drehte sich das Huhn gemächlich zu ihr um, legte den Kopf geneigt, so daß sein Kamm zur Seite kippte und seine Kehllappen zitterten.
    »Schsch«, hörte Kahlan sich leise sagen.
    Es gab nicht genügend Licht, außerdem war sein Schnabel an der Seite blutverklebt, daher vermochte sie nicht zu erkennen, ob es einen dunklen Fleck aufwies. Sie brauchte ihn jedoch nicht unbedingt zu sehen.
    »Gütige Seelen, steht mir bei«, betete sie flüsternd.
    Der Vogel gab ein leises Hühnergackern von sich. Das Tier klang wie ein Huhn, in ihrem Herzen jedoch wußte sie, daß es keines war.
    In diesem Augenblick wurde ihr der Begriff eines Huhns, das keins war, in aller Deutlichkeit bewußt. Es sah aus wie ein Huhn, es sah aus wie die meisten Hühner der Schlammenschen. Und doch war es keins.
    Dies war das fleischgewordene Böse.
    Sie spürte es bis in ihr Innerstes: Dies war ebenso obszön wie die grinsende Fratze des Todes.
    Mit einer Hand raffte Kahlan ihr Hemd am Hals zusammen. Sie wurde so fest nach hinten gegen die Plattform mit der Babyleiche gestoßen, daß sie sich verwundert fragte, ob sie die harte, mit Mörtel verbundene Masse umgestoßen hatte.
    Ihr Instinkt sagte ihr, blitzschnell die Hand vorzustrecken und dieses abstoßende Etwas mit ihrer Konfessorenkraft zu berühren. Ihre Magie zerstörte das Wesen eines Menschen für alle Zeiten und erzeugte in der dadurch entstandenen Leere eine totale und uneingeschränkte Ergebenheit für den Konfessor. Auf diese Weise gestanden die zum Tode Verurteilten ihre abscheulichen Verbrechen – oder ihre Unschuld. Es diente als äußerstes Mittel, der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen.
    Niemand schien

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