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Die Seele des Ozeans (German Edition)

Die Seele des Ozeans (German Edition)

Titel: Die Seele des Ozeans (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Britta Strauss
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daran gedacht. Lassen wir das besser.“
    „Warte. Einen Moment noch.“
    Kjell dachte angestrengt nach. Am Tisch neben ihnen saß eine schwarz gekleidete Frau um die fünfzig, deren feuerroter Lockenkopf an den Hut eines Fliegenpilzes erinnerte. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. In ihrem Blick lag etwas, das Fae beunruhigte. Es schien Angst zu sein. Jene unberechenbare, von Faszination durchtränkte Angst, die nur von etwas ausgelöst werden konnte, das unbegreiflich und fremdartig war.
    Trink den Tee, und dann nichts wie weg.
    „Wir nehmen, was du gesagt hast“, entschied er schließlich. „Zwei Gewürztee mit Schuss.“
    Das Mädchen nickte, fuhr hastig herum und stolperte davon. Kaum war die Bedienung verschwunden, rutschte der rothaarigen Frau die halbvolle Tasse aus der Hand, landete scheppernd auf dem Teller und tränkte den Kuchen mit einer Ladung Mokka.
    Fae runzelte beunruhigt die Stirn. „Was hast du mit den beiden angestellt?“
    Er zog argwöhnisch die Brauen zusammen. „Was? Mit wem?“
    „Mit dem Mädchen, das uns bedient hat, und mit der Frau neben uns. Sie sind völlig durch den Wind.“
    „Ich habe gar nichts getan.“
    „Das dachte ich mir.“ Fae warf einen Blick auf die Uhr. Es wurde Zeit, dass sie nach Hause fuhren. Alexander saß vermutlich längst auf glühenden Kohlen und Kjell erregte langsam, aber sicher, viel zu viel Aufmerksamkeit.
    Machen uns gleich auf den Weg, tippte Fae in ihr Smartphone. Alles in Ordnung. F.
    Keine fünf Sekunden erschien ein Sehr gut auf ihrem Display. Vermutlich gab es niemanden, der schneller tippte als Alexander.
    Fae warf sondierende Blicke in die Runde. Was sie sah, ließ sie mit dem Gedanken spielen, einfach das Geld auf den Tisch zu legen und sofort zu verschwinden. Die starrenden Blicke vermehrten sich nach dem Schneeballprinzip. Gaffte sie ein Besucher an, forschten kurz darauf die Menschen in seiner Nähe nach dem Auslöser des Interesses, und bald hatte Fae das Gefühl, trotz ihres abgelegenen Platzes im Mittelpunkt des Cafés zu sitzen.
    „Besser, wir verschwinden.“
    Doch Kjell schüttelte nur den Kopf. „Noch nicht.“
    „Warum willst du Alkohol probieren, wenn du ihn so hasst?“
    Seine Finger spielten mit der Getränkekarte, während er abwesend vor sich hinstarrte. „Weil ich wissen will, warum mein Vater so verrückt danach war. Ich bin neugierig.“
    „Da müsstest du schon andere Sachen trinken. In dem Tee ist ungefähr ein Fingerhut voll Rum drin.“
    „Egal“, brummte er.
    „Was für eine Erinnerung meintest du gerade?“
    Sie beugte sich vor, stützte die Ellbogen auf dem Tisch ab und legte ihr Kinn auf die gefalteten Hände. Als hätte Kjell ihre Gedanken gelesen, nahm er einen Moment später dieselbe Haltung ein. Aus dem Augenwinkel sah Fae, dass ihre Körpersprache Wirkung zeigte. Zumindest einige der neugierigen Gaffer wandten sich ab und beschäftigten sich wieder mit ihren eigenen Angelegenheiten.
    „Ich habe meinem Vater einmal ein Buch gestohlen“, erzählte Kjell. „Es waren wunderschöne Bilder darin, wie wir sie in diesem Raum gesehen haben. Ich glaube, der Titel war Unbekannte Werke großer Meister .“
    Sein Gesicht war dem ihren so nah, dass sein warmer Atem über ihre Lippen strich. Sie spürte ein Ziehen in ihrem Inneren, eine ausgehungerte Sehnsucht danach, ihn ganz zu spüren. Ungestört. Allein. Hitze schoss in ihren Unterleib, gefolgt von einem Pulsieren, von dem sie kaum noch gewusst hatte, wie es sich anfühlte. Ihn anzusehen und zugleich dem sanften Raunen seiner Stimme zuzuhören, ließ alles um sie herum in Bedeutungslosigkeit versinken. Fae nahm nur noch ihn wahr. Der Sog seiner Worte umgarnte sie und gab ihr das Gefühl, von einer warmen Dünung gewiegt zu werden.
    Sie beugte sich noch weiter vor, um seinen Atem deutlicher zu spüren, um ihn zu riechen und zu schmecken und sich in der Strömung zu verlieren, die seine Nähe erschuf.
    „Es gab darin herrliche Schiffe“, fuhr er fort, „wilde Meere und fremde Küsten. Aber auch gewaltige Seeschlachten, Massaker und Kriege. Das Gemälde, das wir vorhin gesehen haben, war das Schönste von allen. Darunter stand, dass es sich im Privatbesitz von Theodora Emma Winston befindet und bisher nur einmal der Öffentlichkeit gezeigt wurde. Die ganze Nacht lang starrte ich es an, und ich wünschte mir, die Nixe und der Narwal wären echt. Ich träumte mich zu ihnen und streichelte das Papier, als könnte ich sie so aus dem Buch herausholen. Drei Tage und

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