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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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die Verwandtschaft von Unholden.«
    »Mein Vater ist kein Hexer, du Lumpensack! Und wenn er erst unschuldig entlassen ist, dann wirst du keinen Tag länger an diesem Tor stehen, Fettwanst.«
    Der Torwart hob drohend die Hand, als er plötzlich aus dem Augenwinkel heraus sah, wie sich Johanna und Toni vorbeidrückten.
    »Stehen bleiben! Zum Donnerwetter, Ihr da, wer seid ihr? Konrad, geh hin und pack sie!«
    Antoni stellte sich schützend vor seine Schwester und ballte die Fäuste. »Bleib ja weg, du Hundskeiler! Ich schlag dir in deine elende Fresse!«
    »Nicht, Toni!« Johanna hielt ihren Bruder zurück und sah den Wächter mit dem Mut der Verzweiflung an. »Lasst uns durch, in Gottes Namen! Wir haben nichts verbrochen!«
    »Wenn das nicht die Johanna von der Mohrenapotheke ist!« Der ältere Wächter kam heran, Veronika im festen Griff neben sich her ziehend. Er war schon oft in der Apotheke gewesen, erinnerte sich Johanna. Sein Sohn hatte wohl alle Kinderkrankheiten durchgemacht, die sie kannte. Jetzt zuckte der Mann bedauernd die Schultern. »Ich kann Euch nicht durchlassen, Johanna Wolffin. Befehl von oben. Da ist nichts zu machen. Seid vernünftig und kehrt um. Und nehmt Eure Freundin mit.«
    »Aber warum … «
    Der andere Wächter pflanzte drohend seine Schweinefeder auf. »Hört, ihr Weibsvolk, macht uns nicht noch mehr Ärger, sonst landet ihr alle im Loch! Geht heim und feiert Weihnachten!«
    Veronika Junius nestelte in ihrer Not einen Beutel unter ihrem Umhang hervor und hielt ihn mit zitternden Händen den Torwarten hin. »Kann Euch denn nichts umstimmen, ihr Herren?«
    Die Gesichter der Männer verschlossen sich. »Jungfer Junius«, sagte der eine mit eisiger Stimme, »steckt das weg. Und verschwindet ganz schleunig, bevor wir Euch, verdammt nochmal, wegen Bestechung anzeigen.«

    Als der Abend anbrach, saßen alle im Flock’schen Haus beisammen. Es war ein trauriges Weihnachten. Keiner hatte die blühenden Barbarazweige im Herrgottswinkel mit Papierblumen schmücken wollen, wie es sonst der Brauch war. Und keiner hatte im Fenster Kerzen aufgestellt, um dem heiligen Paar anzuzeigen, dass es in diesem christlichen Haus Herberge fände. Dass wenigstens Dorothea hatte fliehen können, war nur ein schwacher Trost. Veronika hockte in der Ecke unter dem Kruzifix und weinte leise. Johanna spielte mit Antoni Karnöffel, um sich und den Jungen irgendwie abzulenken. Heinrich Flock starrte in seinen Weinbecher, den er mit beiden Händen umfasst hielt, und wusste auch nicht, was er sagen sollte.
    Plötzlich rumpelte es draußen. Dann ging die Tür auf, und Thea stand im Zimmer, Gesicht und Hände frostrot. Die anderen starrten sie an.
    »Ich konnte doch nicht gehen«, sagte sie, und ihre Zähne klapperten dabei. »Nicht als Einzige … «
    Flock stand auf und schloss sie in die Arme.

Malefizhaus, Januar 1630
    Johannes Junius kauerte in der Ecke seiner Zelle, das Federbett und die drei Decken, die seine Tochter ihm geschickt hatte, um sich gewickelt. Eine Tranfunzel, die auf einer sorgfältig von Stroh befreiten Stelle auf dem Boden stand, verbreitete ein bisschen tröstliche Helligkeit in der düsteren Stube. Junius wusste, dass dies Luxus war – die einfachen Leute konnten es sich nicht leisten, ihren Angehörigen Licht ins Drudenhaus zu schicken. Manche waren ja schon froh, wenn sie Geld genug für die Verpflegung aufbringen konnten.
    Gerade war Pater Kircher gegangen. Dass er überhaupt noch als Hexenbeichtiger ins Gefängnis gelassen wurde, war verwunderlich, die Obrigkeit musste doch auch ihn als Unterzeichner der Petition ans Reichskammergericht kennen. Kircher selber vermutete, dass der Fürstbischof es sich nicht mit den Jesuiten verderben wollte. Und der Pater konnte letztendlich auch niemanden aus dem Hexenhaus herausholen. Seit einigen Wochen wurde er überdies vor und nach jedem Besuch genau durchsucht, damit er nichts herein- oder hinausschmuggeln konnte.
    Kirchers seltene Besuche waren für Junius der einzige Lichtblick in der Haft. Der Bürgermeister war noch nicht gefoltert worden, und doch quälte er sich. Es waren keine körperlichen Schmerzen, die er litt, sondern die der Seele und des Gewissens. O ja, er war immer ein kluger Kopf, ein kritischer Denker gewesen, einer, der nicht so leicht die Nerven verlor. Aber hier, in Ungewissheit und Finsternis, in der Erwartung des eigenen Todes, reduzierte sich letztendlich alles auf eines: Angst, tödliche, wimmernde, eiskalte Angst.
    Denn trotz aller

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