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Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sabine Weigand
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zu überstehen. Wenn es denn so weit kam, würde sie vorher ein Geständnis ablegen. Aber bis dahin war Zeit das Wichtigste.

    Als das Dämmerlicht des Morgens durch den Fensterausschnitt schimmerte, streckte Hanna die von der Kälte klammen Glieder. Neben ihr schlief die Schefflerin, im Stroh zusammengerollt. Hanna fiel jetzt erst auf, dass das ständige Wimmern und Röcheln vor einiger Zeit aufgehört hatte. Sie tastete nach Kerze und Feuerzeug, schlug Licht und kroch hinüber, um nach der Gefolterten zu sehen. Noch bevor sie an ihren Hals tastete, um nach dem Pulsschlag zu spüren, wusste sie, dass die Frau tot war.
    »Gott sei Dank, es ist vorbei.« Die Schefflerin war ebenfalls herbeigekrochen. Sie schloss der Toten die Augen und sprach ein Gebet. Dann nahm sie die Decke, auf der die Frau gelegen hatte, und hielt sie der zitternden Johanna hin.
    »Nein«, wehrte Hanna ab.
    »Nimm.« Grete Scheffler blieb hartnäckig. »Sie braucht sie nicht mehr. Und du frierst.«
    Hanna gab nach. Sie schlang den wollenen Stoff um sich; die Wärme tat ihr gut.
    Dann riefen sie die Wächter.

Rom, Anfang Juni 1631
    Maffeo Barberini, der sich als Papst Urban VIII. nannte, erwachte im Morgengrauen. Nicht etwa das Licht der aufgehenden Sonne hatte ihn geweckt – die dicken Samtvorhänge waren fest zugezogen –, sondern die Vögel aus den Vatikanischen Gärten. Draußen zwitscherte, pfiff, flötete und sang es, und obwohl die Fenster geschlossen waren, hatte Urban das Gefühl, als säßen Hunderte der geschnäbelten Sänger mitten in seinem Schlafgemach. Der Papst gehörte zu den Menschen, die zeitlebens eine innere Unruhe quälte, die niemals stillsitzen konnten und nirgends Entspannung fanden. Schon seit jeher schlief er schlecht und war dann reizbar wie ein hungriges Raubtier.
    Jetzt wälzte er sich von einer Seite auf die andere, und je länger er nicht wieder einschlafen konnte, desto zorniger wurde er. Und je zorniger er wurde, desto weniger konnte er wieder einschlafen. In ihm brodelte es. Das Vogelgezwitscher dröhnte ihm in den Ohren, immer lauter und aufdringlicher, es stach ihm ins Hirn wie mit tausend spitzen Nadeln. Urban stand kurz vor einem Tobsuchtsanfall. Schließlich fuhr er ruckartig aus den Kissen hoch, hämmerte mit den Fäusten auf die Bettdecke und schrie laut auf vor Wut. Dann warf er eines seiner Kopfkissen gegen das Fenster, sprang aus dem Bett und brüllte nach der Dienerschaft.
    Nach kurzer Zeit öffnete sich die Tür, und der päpstliche Kammerherr, Giovanni Sgrenella, erschien. Er kannte diese morgendlichen Wutanfälle.
    »Guten Morgen, Euer Heiligkeit«, sagte er ganz ruhig und zog dabei einen der Vorhänge auf. »Geruht Ihr schon aufzustehen?«
    »Das seht Ihr doch!«, schnappte der Papst. »Ich kann nicht mehr schlafen! Die Vögel! Jeden Morgen das Gleiche! Ich wache von dem Gepfeife auf und bekomme Kopfschmerzen vor lauter Ärger. Wie soll man ein gutes Tagwerk verrichten, wenn einen die Vögel in aller Frühe schon um den Verstand bringen? Ich hasse diese Brut!«
    »Aber Euer Heiligkeit, der Heilige Franz hat die Vögel geliebt!« Sgrenella versuchte zu beschwichtigen.
    »Ich bin nicht der Heilige Franz!« Die Stimme des Papstes überschlug sich. »Ich liebe die Vögel nicht, und sie lieben mich nicht! Sie machen mich verrückt, sie rauben mir den Schlaf, sie zwitschern mich in den Wahnsinn! Ich will nicht in die Geschichtsbücher eingehen als der erste Papst, der vom Vogelgesang irre wurde!« Urban riss Sgrenella den Morgenmantel aus der Hand und schlüpfte wutschnaubend hinein. Dann deutete er mit spitzem, knochigem Zeigefinger auf seinen Camerlengo. »Das muss aufhören, Sgrenella, und zwar sofort. Ich dulde das nicht länger. Lasst sie umbringen, diese kleinen gefiederten Teufel. Allesamt. Leimruten, Gift, Schleudern, Schrot, was weiß ich. Holt so viele Jäger wie nötig. Ich will, dass die Vatikanischen Gärten ein Paradies der Stille werden.«
    »Sehr wohl, Euer Heiligkeit. Ich werde alles veranlassen, wie Ihr es wünscht.« Sgrenella verbeugte sich.
    Urban schlurfte ins Nebenzimmer, wo er sein Frühstück einzunehmen pflegte. Er war ein kleiner, drahtiger Mann mit kurzgeschnittenem grauen Haar und feinem Schnurr- und Kinnbart, ein gebürtiger Florentiner, dem man seine dreiundsechzig Jahre zwar körperlich anmerkte, aber nicht, was das Temperament betraf. Seine Baulust grenzte an Manie und zerrüttete schon seit Jahren die Finanzen des Kirchenstaates über die Maßen. Er interessierte sich

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