Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Der Glatzkopf drehte die Sanduhr um.
»Wann«, begann schließlich Vasold von neuem, »ist Euch der Teufel zum ersten Mal begegnet?« Erwartungsvoll hob er die Augenbrauen.
»Ich hab den Teufel nie gesehen.«
»Natürlich nicht«, lächelte Schwarzcontz, seine Stimme triefte vor Freundlichkeit. »Er zeigt sich niemals in seiner wahren Gestalt. In welcher ist er wohl zu Euch gekommen? Als schöner junger Mann, möcht ich meinen?«
»Er war nie bei mir, ich schwöre es.«
»Ihr habt also auch nicht mit ihm gebuhlt?«
»Nein.«
»Und keinen Pakt mit ihm geschlossen?«
»Nein.«
Vasold stand auf, ging zum Fenster und sah lange hinaus. Dann drehte er sich wieder um. »Und warum habt Ihr dann wohl das neugeborene Söhnlein des Büttners Pröll zu Tode gehext?«
Johanna fuhr hoch. Das also war ihre Beschuldigung! Der Lohn für ihre Hilfe! Der Zorn packte sie. »Das ist eine Lüge! Das Kind war missgestaltet, es konnte nicht leben. Es starb in meinen Armen eines natürlichen Todes.«
»Und warum war es verwachsen?«
»Weil Gott es so gewollt hat.«
»Oder der Teufel?« Vasold legte den Kopf schief, dann gab er seinem Kollegen das Zeichen weiterzumachen. Schwarzcontz, der bisher in irgendwelchen Papieren geblättert hatte, sah auf. »Sagt uns, Jungfer Wolff, was war das für ein Trank, den Ihr der Gebärenden verabreicht habt?«
Johanna antwortete wahrheitsgemäß: »Ein Mittel, das Wehen auslöst. Man gibt es, wenn die Geburt zu lang dauert und Gefahr für Mutter und Kind besteht. Ich habe es schon oft für Hebammen gemischt.«
»Nun, es sind auch schon oft Neugeborene gestorben.«
»Aber nicht an einem Wehenmittel wie diesem«, verteidigte sich Hanna.
»Ja, wenn es denn ein Wehenmittel war, das Ihr zusammengebraut habt!«
Johanna öffnete den Mund, aber Schwarzcontz ließ sie nicht zu Wort kommen. »War es nicht vielmehr«, donnerte er, »ein Gift, das Ihr der armen Frau eingeflößt habt, um das Kind zu töten?«
»Warum hätte ich das tun sollen?«
»Um das Ungetaufte hinterher auszugraben und dem Teufel zu übergeben.«
»Ich kenne den Teufel nicht.«
»Aber Ihr macht Salben?« Schwarzcontz kam ihr so nah, dass sie seinen säuerlichen Atem roch. Sie wich zurück und hob die Hände. »Ja, natürlich. In der Apotheke.«
»Welches Fett nehmt Ihr dazu?«
»Das ist verschieden. Meist Schweine- oder Gänseschmalz, aber auch Murmeltierfett, Dachsfett, manchmal Fischtran … «
»Kein gekochtes Menschenfett?«
Johanna lachte Schwarzcontz geradewegs ins Gesicht. »Wozu sollte ich das verwenden?«
Der Hexenkommissar lief rot an. »Euch wird das Lachen schon noch vergehen, Jungfer Wolff«, zischte er. »Ich kann Euch sagen, wozu eine Hexe Menschenfett benutzt. Sie macht Schmiere daraus. Sie mischt ganz bestimmte Kräuter und Zutaten darunter, und dann streicht sie ihr höllisches Gemisch den Männern aufs Gemächt, auf dass diese unfruchtbar werden. Oder sie reibt sich an den gottslästerlichsten Stellen damit ein, um sich in die Lüfte zu erheben und zum Hexensabbath zu fliegen. Wie oft wart Ihr beim Hexensabbath, Jungfer?«
»Noch nie.«
»Ihr wisst doch, was ein solcher Sabbath ist?«
»Ja, aber nur das, was die Leute darüber erzählen.«
Schwarzcontz ärgerte sich, dass er nicht weiterkam. »Hört, Weib, Ihr kennt den Sabbath aus eigener Anschauung, gebt es doch zu!«
Hanna blieb fest. »Nein, ich war nie dort, Gott ist mein Zeuge.«
Jetzt mischte sich Vasold ein. »Lasst Gott aus dem Spiel und spart Euch Eure infamen Lügen«, sagte er, während er in seinen Unterlagen blätterte. »Wir haben hier die Aussagen von mindestens vier Zeugen, die Euch beim Tanz gesehen haben.«
Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Das kann nicht sein. Wer sagt so etwas?«
Vasold lächelte fein. »Das werdet Ihr gleich erfahren.« Er nickte dem Malefizknecht zu, worauf dieser den Raum verließ und kurze Zeit später eine alte Frau hereinführte. Johanna unterdrückte einen Aufschrei. Die Gefangene war nur mit einem groben Peinkittel bekleidet, geschoren, schmutzig, die Hände blutverkrustet. Ihre Augen lagen tief in den Höhlen, die Wangen waren eingefallen, die Lippen zerbissen. Auf ihren mit durchgeweichten Lappen umwickelten Füßen konnte sie sich kaum aufrecht halten; sie wankte und blieb schließlich in gekrümmter Haltung neben der Tür stehen. Ein entsetzlicher Gestank nach Eiter und Exkrementen ging von ihr aus. Als Schwarzcontz auf sie zutrat, schien sie noch mehr in sich zusammenzusacken. »Seht genau
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