Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
In letzter Zeit war er vier Mal da gewesen, immer mit anderen Klagen, aber wenn ihm Cornelius Medizin verschrieben hatte, war sie ihm jedes Mal zu teuer gewesen. Cornelius hielt ihn für einen Simulanten. Dennoch untersuchte er Appler sorgfältig.
»Tja, mein Guter«, sagte er schließlich, »Eure Knochen sind halt nicht mehr die jüngsten. Dazu kommt, dass Ihr eine krumme Wirbelsäule habt, das ist nichts Besonderes, darunter leiden viele. Vielleicht hat man Euch als Kind nicht gerade genug gewickelt. Im Alter macht das halt Schmerzen. Ich kann Euch etwas zum Einreiben mitgeben, das kostet allerdings zehn Kreuzer.«
Adam Appler zog sein fadenscheiniges Hemd wieder an. »So viel?«, brummte er. »Ich bin bloß ein armer Bastschneider, das kann ich mir nicht leisten. Gebt mir für fünf Kreuzer, das muss reichen.«
Cornelius füllte etwas Salbe in einen Behälter, während sein Patient das Geld auf den Tisch legte und sich dann neugierig in der Stube umsah. »Die Lisbeth ist wohl wieder da?«, fragte er lauernd.
»Die Lisbeth? Nein, wieso?« Cornelius runzelte argwöhnisch die Brauen. Ein Anflug von Panik stieg in ihm hoch.
»Oh, hab nur gedacht … weil so ein schöner Blumenstrauß dort drüben auf dem Fensterbrett steht.«
Cornelius hätte sich ohrfeigen können. Er hatte von einer Frau, bei der er einen Furunkel geöffnet hatte, ein paar Blumen geschenkt bekommen und sie mit heimgebracht. Johanna hatte sich so gefreut, und so hatten sie den Strauß ins Fenster gestellt. Es war ein Fehler gewesen.
»Der ist von einer Patientin, der Anna Ritthammer in der Gartenstadt, kennt Ihr die?« Cornelius versuchte, unbefangen zu klingen. »Ich bekomme oft von zufriedenen Leuten kleine Geschenke.«
Er schob Adam Appler zur Tür hinaus, drückte ihm das volle Uringlas wieder in die Hand und nahm sich vor, in Zukunft noch viel vorsichtiger zu sein.
Dann ging er schweren Herzens zu Johanna in die Dachkammer.
Urteil über Dorothea Flock, gefällt vom Bamberger Schöffengericht am 5.Oktober 1631
Dorothea Flockin, Ehweib des Rathsherrn Heinrich Flock von der Judengass, soll wegen ihrer mit der Zauberey verübten Uebelthaten, indem sie erstlich dem allmechtigen Gott und der allerheyligsten Dreyfaltigkeit erschröcklicher und unchristlicher Weis abgesagt, sich dagegen dem leidigen Sathan ergeben, auch anderes Uebel mehr gestiftet, mit dem Fewer lebendig zum Tode gerichtet undt ihr Körper zu Pulfer und Aschen verprennet werden. Insonderheyt, weil sie die hochheilige Hostie verunehrt und ihrem Buhlteuffel zugestellt, soll sie vor der Hinrichtungk einen Griff mit der glühenden Zangen erhaltten.
Gegeben durch Richtter und Schöpffen zu Bambergk den Dinstag vor Michaeli anno 1631
Bamberg, 8.Oktober 1631
Hermann Vogler, altgedienter Bote bei der Reichsstadt Nürnberg, hatte sich am Morgen des 7.Oktober auf den Weg nach Bamberg gemacht. Die zu überbringende Nachricht hatte er von einem Reiter der Reichspost erhalten, der ihm außerdem eingeschärft hatte, dass es dabei um Leben und Tod ging. So war er im Eiltempo durch einen ungemütlichen Regentag in Richtung Norden galoppiert, hatte aber Bamberg erst knapp nach Einbruch der Dunkelheit erreicht. Die Tore waren schon geschlossen. Fluchend hatte sich Vogler in einer Nische neben dem Stadttor ein einigermaßen trockenes Plätzchen gesucht, sein Wachstuch ausgerollt und ein paar Stunden geschlafen.
Bei Sonnenaufgang stand er schon vor dem Langgasser Tor. Jetzt erst sah er die Richtstatt, die nicht weit entfernt lag, das große Schwarze Kreuz, den leeren Galgen und die verkohlten Stellen, an denen die Scheiterhaufen gelodert hatten. Nun wusste er auch, warum es in der Nacht so verbrannt gerochen hatte. Ihn schauderte. Es war halb sechs.
Um Viertel vor sechs trafen Richter und Schöffen, die Malefizkommissare und eine Handvoll Räte im Hexenhaus ein. Dort verlas man das Urteil über Thea ein letztes Mal und brach den Stab. Dabei wurde in aller Eile noch ein vom Fürstbischof blanko unterschriebener Gnadenzettel ausgefertigt, der den Gnadentod durch das Schwert vorsah. Ein Mönch vom Michelsberg nahm in der Kapelle der Verurteilten die Beichte ab.
Eine Viertelstunde später wurde Hermann Vogler vom Torwächter eingelassen, und er trieb sein Pferd durch die noch fast leeren Gassen zum Geyerswörth. Ein mulmiges Gefühl beschlich ihn. In dieser Stadt lauerte die Angst, ging der Tod um. Er war froh, als er die Residenz erreichte, fand ohne Schwierigkeiten Einlass und wurde in
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