Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
ansprach. Er blickte ihm ins Gesicht, aber er verstand nicht, was der Mann sagte, ließ ihn einfach stehen. All das, woran er geglaubt hatte, galt nicht mehr. Er war einem furchtbaren, einem entsetzlichen, einem grauenvollen Irrtum erlegen, das wusste er jetzt. Maria war unschuldig. So wie all die anderen.
Wie sollte er jetzt noch weiterleben?
Aus den Lebenserinnerungen der Dominikanernonne Anna Maria Junius zu Bamberg, niedergeschrieben im Jahr 1652
Die lezten Monat des Jars 31 vergingen wie im Flugk. Item ich erinner mich noch alltzu gut daran, daß man im Herbst die arme Dorotea Flockhin umbracht hat. Weil ihret wegen der Reichs Hoff-Rath verhandelt hat undt, wie man späther gehört, auch vom Heyligen Vatter zu Rom ein Decretum untherwegs war, wurdt sie eiligk und gantz ohn Auffsehen im Drudenhaus geköpfft. Das muß umb Michaeli herum geweßen sein.
Schon vorher haben die Leutt gemurrt, undt es war wegen der Hexensach vil Unruh in der Stadt. Auff Weihnachthen zu ist es immer schlimmer geworden. Man hat die Hexen-Doctores auff offener Straß derbleckt, die Schöffen vom Gericht angespuckt, die Malefitzknecht geschmähet. An Allerheyligen warffen etliche Lehrling von der Metzgerszunfft den Doctor Herrenberger auß einer Wirtschafft und hockten ihn auff einen Mißt-Hauffen. Dem Richtter warff man einen Steyn durchs Fenßter in die Stuben, so groß wie ein Kindskopff. Es ist sogar so weit kommen, daß die Einholer keinen mehr verhafften wollten; sagten, sie hetten mit dem und dem nichts zu schaffen und keine Lußt, ihn anzugreiffen. Man nannte alle, die mit den Processen zu thun hatten, tyrannisch unbarmhertzig Gesellen, halßstarrige Hundt, Schelmen und erbärmliche Wichtt.
Die Obrigkeyt hat gegen das Reden der Leutt nit vil ausrichten können, weil die Stadtknecht ihrn Dinst nur noch mit Widerwillen thaten. Darumb sind auch im Herbst keine newen Hexen mehr verhafft worden. Einer der lezten, das weiß ich noch, war wohl der rabenschwartze Mohr des Fürßt Bischoffs. Item das war ein Auffgeschrey, alß man erfuhr, daß dieser Mensch den Fürßt Bischoff selbst mit Zauberey angreiffen hat wölln, indem er ihme eine Teuffels Fratz übers Bett practiciret hat. Unßer Herr Fürßt Bischoff war denn auch durch dieße Verhexung so kranck und siech, daß er in diesen Tagen nit mehr regirn konnt, sondern ellendt darnider lagk. Der wahre Herr über Bambergk war zu der Zeyt wohl unßer Weih Bischoff Fridrich Förner, ein unparmhertziger, hartter Mensch, der ohn alles Mitleyd die Processe weitter getrieben hatt. Er war es auch, der den lezten Brandt zu Bambergk anbefohln hat; das war drey Tagk vor Weihnachtten. Ich selber hab es mitangesehn. Es warn dabey einer auß der Neudeckerschen Familie, die Krämerin Helena Lößlerin und der alt Caspar Körner, Vogt vom Mönchsberg. An eim kaltten Morgen hat man sie auff dem Schinderkarrn hinaus zum Schwartzen Creutz bracht und auff die Brandstatt gesetzt. Und gantz zuletzt, es war erparmungswürdig anzusehn, hat der Sohn des Henckers das jungk Töchterleyn vom Burgermeißter Dietmeyer vom Karrn gehoben, zum Scheitter Haufen getragen und darauff gelegt. Das arm Dingk war halb todt, und hat der Anblick alle Leutt erbarmet.
Darnach warn nur noch fünfzehen Menschen jämmerlich in Verhafft im Drudenhauß, unter ihnen der altte Rathsherr Michel Bach, Caspar Hämel, Georg Eder, Margret Edelwirthin, Michel Ketzner, Matheus Podner, Philip Deckhler und der Mohr. Die andern erinner ich nit.
Was ich aber erinner, ist, daß zu Weihnachtten allüberall die Angßt vor den Schweden in der Stadt immer ärger umbging. An den Feierthagen hieß es, sie seien nit mehr weitt, und jeder hat geschaut, das Seine in Sicherheyt zu pringen. In der Wochen nach Neujar haben sich die ersten fürstlichen Rät und Domherrn heimblich in die Festungk Forchheim abgesetztet. Und, was man erst späther erfahrn hat, auch unßer Fürßt Bischoff samt seinem saubern Stellvertrether Förner sindt bey Nachtt und Nebel tapffer auß der Stadt geflüchtet und haben ihr Volck alleyn gelaßen, das muß in den letzten Tagen des Januar gewest sein. Hat aber biß die Schweden da warn niemands gewußt.
Die Stadt war dann voll von Bauern und Landt-Leutten, die auß Furcht vor dem bößen Feindt herein geflohen sindt, mit Kindt und Kegel, ihr Hab und Guth auf Karrn und Wägen geladen. Wir haben all geschaut, daß wir sie untter pringen, in Stadeln, Kellern und den viln leeren Häußern der verprannten Druden. Dann sindt auch noch zehn
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