Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Beispiel macht sich über Druderei kaum einer Gedanken. Manche sagen sogar, es sei Aberglaube, die Existenz von Zauberern anzunehmen. So weit will ich gar nicht gehen. Schließlich gibt es Klügere als mich, die davon überzeugt sind, dass Hexen unter uns sind. Aber Angst, nein, Angst hab ich keine. Und ich bin sicher, das Ganze klärt sich bald auf, und es kehrt wieder Ruhe ein.«
»Hoffentlich hast du recht«, meinte Johanna und griff nach ihrem Krug. »Ich hab schon weder Misteln noch Johanniskraut mehr.« Die beiden lachten.
Im selben Augenblick teilte sich die Gruppe um den Brunnen, um zwei Männer durchzulassen. Die Menge wurde stumm. Es waren der Stadtbüttel und sein Gehilfe, und sie führten eine gefesselte Frau mit sich. Sie hatte vor lauter Scham ihr Brusttuch über den Kopf gezogen, damit man sie nicht erkennen konnte. An ihrem gebückten, schleppenden Gang ließ sich ablesen, dass sie alt war; sie hatte sichtlich Mühe, den beiden Stadtknechten zu folgen. Etwas Unheimliches ging von der kleinen Dreierprozession aus, die wortlos ihren Weg quer durch die Menschen über den Grünen Markt nahm und dann im Rathaus verschwand.
»Die Rieglin, es ist die Rieglin vom Zinkenwörth«, flüsterte jemand.
Johanna bekam eine Gänsehaut. Rasch verabschiedete sie sich von Cornelius und rannte heim, ihren Krug fest an die Brust gepresst.
Am Abend hielt sie es nicht mehr aus. Obwohl ein leichter Nieselregen eingesetzt hatte, nahm sie sich nach dem Essen die kleine Laterne, die immer im Hausflur hing, und machte sich auf den Weg in die Hasengasse zu ihrem Verlobten.
Sie traf ihn noch auf der Straße vor dem kleinen Fachwerkhäuschen, in dem er mit seiner verwitweten Patentante lebte. Müde sah er aus und blass.
»Johanna, du? Was machst du denn so spät noch hier? Grad komm ich heim, es hat eine neue Verhaftung gegeben, und die Befragung hat bis jetzt gedauert.«
Sie setzte sich zu ihm in die Küche und sah zu, wie er hungrig das Vesper aus Brot und Zwiebelquark aß, das ihm seine Tante hingestellt hatte. Erst redeten sie über unverfängliche Kleinigkeiten, bis Johannas Neugier siegte.
«Stimmt es denn, dass die Moorhauptin gestanden hat?«, fragte sie schließlich.
Er nickte. »Unglaublich, nicht wahr? Sie blieb erst lange verstockt, aber bei der vierten peinlichen Befragung hat sie endlich alles zugegeben. Ich selber hab hinterher ihre Urgicht niedergeschrieben.«
Also war es tatsächlich wahr. »Ja, und was genau hat sie in diesem Geständnis zugegeben?«
Hans griff nach dem hölzernen Humpen und nahm einen großen Schluck Bier. »Das kann ich dir nun wirklich nicht sagen, Hanna. In Malefizsachen sind wir alle zu größter Verschwiegenheit verpflichtet. Es reicht schon, was ich dir jetzt erzählt hab. Jedenfalls ist eines ganz klar: Die Moorhauptin ist eine abscheuliche Zauberin und Unholdin, und ich sehe es als eine Gnade des Herrgotts an, dass ich an ihrer Überführung beteiligt sein durfte.«
»Muss sie denn jetzt sterben?«
»Das wird die Malefizkommission entscheiden. Wenn du mich fragst, gibt es da nichts zu überlegen. Eine Hexe darf nicht am Leben gelassen werden.«
»Und was ist mit dem Hansi? Und der Ellin? Und die Rieglin, die sie heute verhaftet haben, ist die auch eine Drud?«
Er runzelte unwillig die Brauen. »Bitte, Johanna, lass uns über etwas anderes reden, ja? Ich bin müde, die Finger tun mir weh vom vielen Schreiben, und Kopfweh hab ich auch. Morgen muss ich wieder früh raus, zum Verhör. Du weißt doch, ich tue das nur für uns. Wenn beim alten Schmeltzing die Gicht nicht bald besser wird, dann soll ich seinen Posten ganz übernehmen, hat der Bürgermeister Junius gesagt. Freut dich das nicht?«
»Doch, freilich freut’s mich«, lächelte Johanna. »Meinst du, wir könnten dann heuer noch heiraten?«
Er legte den Arm um sie und zog sie an sich. »Das wär mein größter Wunsch.« Dann küsste er sie lange. Johanna schmiegte sich glücklich an ihn und erwiderte seinen Kuss mit Hingabe. Alles würde sich fügen.
Urgicht der Christina Moorhauptin, abgelegt am 1.März 1627
Cristina, Johan Moorhaubts Hausfrau zu Bambergk, hat am Donrstag nach Oculi Anno Septimo in Beywesen der Doctores Herrnberger und Schwartzkontz und Barthel Braun des Rats frey und unbezwungen bekannt wie nachvolgt:
Item ihr Mutter hab gesagt: Dochter ich will dir einen Buhln schicken den mußtu annehmen. Also sey ein Teufel in einer Donerstag Nacht vor zweyen Jarn, Contz Genßlein genannt, zu ihr in ihre
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