Die Seelen im Feuer: Historischer Roman (German Edition)
Finger nach einem wie ihm abschlecken. Aber er kann niemanden wirklich lieben außer sich selbst.«
Thea atmete einmal tief durch, dann nickte sie zustimmend. »Ehrlich gesagt, so hab ich den Hans schon immer gesehen. Er hat kein Herz und kein Gefühl. Und er ist so verbissen. Aber ich hab nie was gesagt, weil ich dachte, du liebst ihn … «
»Gestern … « Johanna schluckte, » … seine Tante ist doch auf Wallfahrt … wir waren ganz allein. Und da haben wir zum ersten Mal … « Sie suchte nach Worten. »Es war so … lieblos. Überhaupt nicht, wie du es mir beschrieben hast. Nicht einmal ein Vaterunser lang hat es gedauert. Darum soll sich die Welt drehen?« Sie schüttelte den Kopf. »Wenn es zwischen mir und dem Hans so ist, dann weiß ich nicht, wie ich das ein Leben lang aushalten soll, verstehst du? Aber er, er fühlt sich jetzt verpflichtet, mich sofort zu heiraten. Weil er ja so anständig ist.«
»Und wenn du ihm sagst, du willst ihn nicht mehr?«
Johanna lachte freudlos. »Soll ich ihn zum Gespött der Stadt machen? Das Andenken unserer Mutter in den Schmutz ziehen? Und wer würde mich dann noch nehmen? Ich weiß ja noch nicht einmal, ob ich vielleicht schwanger bin! Soll ich irgendwann einmal eine ehrlose Braut mit Strohkranz werden und vor dem Fornikantentürchen heiraten?«
Thea wusste, dass ihre Schwester recht hatte. »Das mit der Liebe kann noch werden, wenn ihr erst verheiratet seid«, versuchte sie zu trösten. »Schau, beim ersten Mal ist nichts vollkommen. Er gibt sich in Zukunft bestimmt mehr Mühe. Und vielleicht kann ja der Heinrich einmal mit ihm reden, von Mann zu Mann.«
»Auf gar keinen Fall!« Johanna fuhr hoch. »Niemand darf das erfahren, hörst du, niemand!«
»Was darf niemand erfahren?« Antoni steckte seinen strohblonden Schopf zum offenen Fenster herein und grinste frech. »Ich will’s auch wissen!«
«Hau ab!« Hanna warf einen Lumpen nach ihrem kleinen Bruder. Der wich geschickt aus. »Hast du uns belauscht? Was hast du überhaupt hier zu suchen?«
»Dich. Der Doktor Weinmann ist in der Offizin und fragt nach dir!«
Das auch noch. Johanna schloss die Augen. »Sag, ich bin nicht da.«
»Sonst rennst du doch immer, wenn er kommt!«
»Unsinn! Sag, ich bin nicht da, und hol den Vater!«
Toni schüttelte den Kopf. »Weiber«, murmelte er und trabte davon.
Thea sah ihre Schwester mit einem durchdringenden Blick an. Sie erinnerte sich an ihre Hochzeit, als Johanna mit dem jungen Arzt getanzt hatte, und langsam wurde ihr alles klar. »Der Cornelius, hm?«
Johanna brachte ein unglückliches kleines Lächeln zustande. »Ach Thea, das kommt ja auch noch dazu … «
»Und liebt er dich denn auch?«
»Dumme Frage.« Johanna begann wieder herumzuräumen. »Der Cornelius ist ein weitgereister Mann, der kennt die Welt. Italien, Böhmen, die großen Städte! Glaubst du, eine wie ich, die nie aus ihrer Stadt herausgekommen ist, interessiert ihn? Für jemanden wie ihn bin ich viel zu langweilig. Zu hausbacken. Und hübsch genug bin ich auch nicht. Du solltest hören, wenn er von den welschen Mädchen erzählt, wie er da schwärmt und Augen macht. Da kann unsereins nicht mithalten.« Sie seufzte und hängte einen Blasebalg zurück an seinen Platz neben dem Destillierofen. »Schuster, bleib bei deinen Leisten, heißt es. Nein, nein, Thea, ich nehm den Hans, das ist schon gut so.«
Dorothea drückte ihre Schwester fest an sich. Johanna wusste, wie glücklich Thea mit ihrem Heinrich war. Wenigstens sie hatte gefunden, was sich alle wünschten. »Du musst einfach dem lieben Gott vertrauen«, sagte Dorothea aufmunternd. »Der sorgt schon für alles. Und wer weiß, wenn in einem Jahr ein Kindlein bei euch in der Wiege liegt … «
Draußen ertönten plötzlich eilige Schritte auf dem Kies, und dann wurde die Tür zum Laboratorium aufgerissen.
»Hanna! Thea! Los, kommt schnell!«
Es war Antoni, in hellster Aufregung. Seine Augen blitzten, er hüpfte im Türrahmen auf und ab und fuchtelte mit den Armen. Der Kater, der die ganze Zeit über im Labor gesessen und sich hingebungsvoll geputzt hatte, bekam es mit der Angst und schoss wie ein geölter Blitz an Toni vorbei in den Garten.
»Sie holen den alten Reuß!«
Johanna bekreuzigte sich. Dann rafften die Schwestern ihre Röcke und rannten hinter Toni her.
Der alte Spielmann stand vor seinem Häuschen im Apothekersgarten und sah blöde zu, wie sich die Stricke um seine Handgelenke legten. Man konnte riechen, dass er offenbar wieder
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