Die Seelenburg
Freundin.«
Ob ich deine Freundin bin, wird sich noch herausstellen, dachte Jane, lächelte jedoch zurück.
»Wie heißt du?« fragte die Frau.
»Jane Collins.«
»Hatte ich es mir doch gedacht. Du bist sicherlich der Ersatz für unsere liebe Celine?«
»Ja«.
»Es freut mich, daß der Meister so schnell jemanden gefunden hat. Ich bin übrigens Dodo Dorano.«
»Angenehm«, sagte Jane Collins. Ansonsten schwieg sie. Jane wußte nicht, wie sie sich der Frau gegenüber verhalten sollte. Um Hilfe konnte sie Dodo Dorano nicht bitten, denn das Weib stand voll auf der Seite des Meisters.
Und daß der Meister mit Gordon Schreiber identisch war, daran gab es nicht den geringsten Zweifel.
»Du bist so schweigsam«, lächelte Dodo. »Habe ich dir etwas getan?«
»Nein, nein, es ist nur ein wenig fremd hier.« Jane deutete in die Runde.
»Was geschieht eigentlich?«
Dodo lachte schrill. »Das fragst du noch? Hat der Meister dich denn nicht eingeweiht?«
»Noch nicht.«
»Dann will ich es tun. Wir feiern Partys. Aber ganz bestimmte, meine Liebe. Hast du schon etwas von schwarzen Messen gehört?« Bevor Jane antworten konnte, sagte sie: »Natürlich wirst du es gehört haben. Du kommst ja aus England, wo es die meisten Hexen gibt und die herrlichsten schwarzen Messen gefeiert werden. Aber wir hier sind sogar noch besser.«
»Inwiefern?«
»Nun, wir haben einen echten Kontakt hergestellt. Zwar nicht mit dem Teufel, wie viele unserer Schwestern versuchen, es aber nicht schaffen, sondern mit einem anderen mächtigen Dämon. Der Spuk ist auf uns aufmerksam geworden. Kennst du ihn?«
Und ob Jane den kannte. Schließlich hatte sie sich schon in seinem Reich befunden. Unbekleidet hatte sie vor seinem Thron gelegen, und es war John Sinclair im letzten Augenblick gelungen, sie zu retten. Deshalb war es kein Wunder, daß Jane eine Gänsehaut über den Rücken lief, als sie die Worte der Frau vernahm.
»Du kennst ihn nicht, oder?«
»Nein«, log Jane.
»Aber er wird erscheinen, denn die Burg gehört ihm, nicht einmal dem Meister. Er hat sie nur vom Spuk zur Verfügung gestellt bekommen, damit wir ungestört unsere Feste feiern können. Du bist herzlich eingeladen.« Sie winkte mit dem Messer. »Komm her zu mir, kleine Jane.«
Die Detektivin zögerte. Diese Szene in der kalten Halle war so unwirklich, so makaber, daß Jane schon an einen Traum dachte. Auch die Frau vor ihr, die äußerlich so wenig Dämonisches an sich hatte, doch im Innern grausam und gemein sein mußte.
Aber Jane mußte mitspielen, ob sie wollte oder nicht. Sie hatte sich darauf eingelassen, und ein Zurück gab es nicht mehr.
Tief atmete sie ein.
Dodo ging ein wenig zur Seite und breitete die Arme aus. Die beiden Messer ließ sie nicht los, und als sie Jane aufforderte, in ihre Arme zu kommen, schüttelte die Detektivin den Kopf.
»Nein, ich will nicht.«
»Wir müssen unseren Bund durch den Bruderkuß besiegeln.« Die Stimme der Frau klang so, als würde sie keinen Widerspruch dulden, und Jane fügte sich.
Dodo Dorano schloß die Arme um Jane Collins. Für einen Moment dachte Jane daran, daß die Frau ihr die blutigen Messer in den Rücken stoßen könnte, doch Dodo hatte daran kein Interesse. Statt dessen spürte Jane die Wange der Frau an der ihren, und sie merkte die Kälte, die Dodos Haut ausströmte.
Jane schien in den Armen der Frau zu Eis zu werden. Sie rührte sich nicht.
Dafür bewegte Dodo ihren Kopf, und die Lippen drückten sich gegen die Wange der Detektivin, während die Frau ihre Arme hinter Janes Rücken schloß.
Jane spürte den Kuß.
Sie versteifte noch mehr. Ein nie gekanntes Gefühl durchströmte sie. Die Berührung war ihr unangenehm, sie versuchte, die Frau wegzudrängen, war jedoch überrascht, mit welcher Kraft Dodo sie festhielt. Im ersten Augenblick hatte Jane den Verdacht gehabt, es mit einem weiblichen Vampir zu tun zu haben, doch ihre Zähne spürte sie nicht auf ihrer Haut, statt dessen die Zunge, und sie fühlte es naß an ihrer Wange herabrinnen.
»Bitte«, quetschte sie hervor. »Laß mich…«
»Gleich, kleine Jane, gleich…«
Dodo Dorano hatte nicht zuviel versprochen. Sie ließ Jane tatsächlich los, trat zurück und schaute sie lächelnd an. Die Detektivin atmete auf.
Diese Berührung war ihr zuwider gewesen, ihr Innerstes hatte sich dagegen gesträubt, und jetzt wurden ihre Augen groß.
Sie sah Dodos Mund.
Er war zu einem Lächeln verzogen, das einen wissenden und spöttischen Ausdruck zugleich
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