Die Seelenburg
Sie lachte. »Dir fällt ein Stein vom Herzen, kleine Jane, wie?«
»Ich werde keine Menschen töten«, erklärte Jane fest.
»Oh, das habe ich auch einmal gedacht. Doch dann lernte ich den Meister richtig kennen, und ich kostete zum ersten Mal vom Blut der Dämonen. Es war wie Rauschgift, wenn du verstehst, was ich meine. Ich habe früher mal gehascht. Aber alles hält den Vergleich zu einem Dämonentrank nicht aus, das mußt du mir glauben.« Sie deutete auf den Bottich. »Willst du einen Schluck nehmen, kleine Jane?«
»Nein.« Jane wich zurück.
»Und wenn ich es dir befehle?«
»Ich werde diesen Befehl verweigern!«
Für einen Moment sah es so aus, als wollte sich Dodo auf die Detektivin stürzen, doch dann ließ sie es bleiben und nickte nur. »Ganz wie du willst. Aber die Folgen hast du selbst zu tragen, das kann ich dir sagen.«
»Welche Folgen?«
»Darf ich dich daran erinnern, daß du jetzt meine Sklavin bist? Du mußt das tun, was ich will. Und hüte dich, mir noch einmal zu widersprechen.«
»Ich möchte jetzt wieder auf mein Zimmer«, sagte Jane. »Hier habe ich genug gesehen.«
Dodo lachte schrill. »Auf dein Zimmer wirst du nicht mehr kommen. Es bleibt überhaupt keine Zeit.«
»Und wieso nicht?«
»Weil die schwarze Messe gleich beginnt. Da, schau!«
Dodo drehte sich um. Als hätte sie einen Mechanismus ausgelöst, öffnete sich plötzlich ein Teil der Gewölberückwand und gab den Blick in den Stollen frei.
Rötliches Licht erhellte ihn. Und zwar so deutlich, daß Jane die Schatten der Männer und Frauen erkennen konnte, die den Stollen verließen.
Der Meister und sein Gefolge kamen…
***
Es gibt kritische Situationen, wo sich kurze Zeitspannen plötzlich endlos in die Länge ziehen. In einer ähnlichen Lage befanden sich Suko und ich.
Der Wagen kippte.
Und die Sekunden, die er noch auf dem Rand stand, kamen uns beide sehr lang vor.
»Raus!« schrie ich. Wobei ich es besser hatte, denn die Fahrertür auf meiner Seite stand auf.
Hinterher ist man immer schlauer. Aber in diesen Augenblicken wollte ich tatsächlich den Wagen verlassen und bewegte mich. Dadurch kam es zu einer Gewichtsverlagerung. Der Ford wurde an seiner Vorderseite beschwert und fiel.
Instinktiv kauerte ich mich zusammen. Ich hätte angeschnallt bleiben sollen, das war mein Gedanke, als der Wagen in die Tiefe krachte. Es gelang mir noch, mich zwischen Sitz und Fußbank zu drücken und meinen Kopf zu schützen, danach ging nichts mehr.
Suko und ich wurden zu einem Spielball der Gewalten.
Der Ford fiel nicht steil nach unten, sondern überschlug sich in der Luft.
Ich wußte plötzlich nicht mehr, wo oben oder unten war, die Ladung geriet in Bewegung kippte vornüber.
Mir krachten die verdammten Kisten und Kartons genau in den Nacken.
Ich spürte die Schläge und hörte gleichzeitig das häßliche Reißen, das entsteht, wenn sich Metall durchbiegt. Der Wagen wurde durchgeschüttelt, als würde die Faust eines Riesen gegen ihn donnern, dabei waren es nur die Bäume und Felskanten, gegen die der fallende Ford stieß und an einigen Stellen sogar von dem scharfen Gestein eingerissen wurde. Längst gab es kein heiles Fenster mehr. Ein Splitterregen prasselte auf uns nieder, die offene Tür riß ab, und ein Teil der Ladung rutschte auch nach draußen.
Aber der Wagen fiel nicht mehr.
Er stand still.
Ich hing noch immer eingeklemmt zwischen Sitz und Fußbank. Suko mußte sich irgendwo hinten befinden, und auf mir lagen die Kisten. Zwei hatten sich so verkantet, daß sie zu einer Art Schutzwall geworden waren und andere Gegenstände abgehalten hatten.
Ein paar Sekunden ließ ich verstreichen, dann vernahm ich das Räuspern hinter mir.
»Suko?«
»Noch vorhanden.«
Ich mußte grinsen. »Wie geht es?«
»Das weiß ich noch nicht. Mir ist nur dieses verdammte Obst in den Rücken gefallen, auf meinem Kopf liegt eine matschige Banane, und einen Pfirsich habe ich mit dem Ellbogen zerdrückt. Ansonsten ist alles klar. Bei dir auch, John?«
»Das will ich hoffen.«
»Wo hängen wir eigentlich?«
»Irgendwo an der Felswand. Kannst du nichts sehen?«
»Nein, die Kisten versperren mir die Sicht.«
»Ich versuche es mal«, erwiderte ich. So gut es ging, drehte ich mich um und stieß mit dem runden Schulterknochen gegen die verkanteten Kisten. Dann drückte ich sie hoch. Ich wollte vorsichtig zu Werke gehen, zuviel Bewegung konnte sich schädlich auswirken, der Wagen könnte das Gleichgewicht verlieren und weiter
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