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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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ahnte
jedoch, dass er es früh genug erfahren würde. Sicherlich war sie nicht einfach
nur vorbeigekommen, um alten Freunden einen kleinen Besuch abzustatten; er
konnte fühlen, dass mehr dahinter steckte. Wie hatte er nur Rabeas Marotte mit
den roten Schuhen vergessen können? Scheinbar war er damals mehr als
erfolgreich gewesen, als er aus reinem Selbstschutz beschlossen hatte, Rabea nicht
nur aus seinem Leben sondern auch aus seinen Gedanken zu verbannen.
    Die roten Schuhe waren ein Teil von Rabeas ganz eigenen
Anschauungen und Theorien, die sie sich selbst geschaffen hatte. Sie teilte die
Menschen in zwei Kategorien ein: Diejenigen, die zuerst auf ihre Schuhe
blickten und jenen, die sie ignorierten.
    Sie hatte ihm ihre selbst konstruierte Theorie damals genau
erklärt, die, wie sie behauptete, im Besonderen in der Königsdisziplin des
Journalismus, dem Interview, bestens funktionierte: „Pass auf Lukas, die roten
Hochhackigen sind ein Symbol. Zugegeben, anfangs habe ich sie benutzt, um von
meiner Jugend abzulenken, aber dann habe ich die Reaktionen bemerkt, die sie
hervorriefen, ganz nach dem Motto: Zeig mir deine Schuhe und ich weiß, wer
du bist. Die Leute sehen meine roten Schuhe und stecken mich sofort in eine
Schublade: „Frivol, geschmacklos, leichtfertig.“ Wenn ich heute ein Interview
führe, beobachte ich gleich zu Beginn, wohin der Blick meines Gegenübers fällt,
egal ob Frau oder Mann. Es gibt nur wenige, die meine Schuhe nicht
registrieren. Ich bevorzuge diese Gesprächspartner. Leider sind dies auch immer
meine schwersten Interviews, weil ich mein Gegenüber dann kaum aus der Reserve
locken kann, aber wenn ich es schaffe, sind das auch meine besten. Doch die
meisten starren zuerst auf meine Füße und das gibt mir die Zeit, sie
meinerseits zu beobachten. Diese erste Taxierung, Lukas, ist entscheidend. Sie
gibt den Ausschlag über Erfolg und Misserfolg meiner Arbeit. Sobald ich nämlich
in der Schublade „Kleines, kesses Frauchen - leichtes Spiel“ stecke, schlage
ich zu. Sie unterschätzen mich. Wer unterschätzt wird, ist im Vorteil. So
einfach ist das.
    Die Erinnerung an dieses Gespräch ließ Lukas im Nachhinein
schmunzeln. Rabea und ihre verrückten Theorien. Sie schleppte eine ganze Menge
davon in ihrem Handgepäck mit. Lukas wusste aus eigener Erfahrung, wie frivol,
geschmacklos und vor allem leichtfertig Rabea sein konnte. Er hatte sie dennoch
neugierig gefragt, in welche Kategorie er denn passe? Ob sie glaubte, dass er
ihr zuerst auf die Füße oder ins Gesicht gesehen hätte?
    Rabea hatte ihm daraufhin etwas sehr Schönes entgegnet: „Das kann
man nicht miteinander vergleichen, Lukas. Bei dir ist das etwas völlig anderes.
Du, Lukas, hast zuallererst in mein Herz gesehen.“
    Die Erinnerung an Rabeas einstige Worte hatte etwas Tröstliches
für ihn. Unvermittelt glätteten sich die Wogen auf seiner Seele und er spürte,
wie sich der letzte Groll auf sie verflüchtigte und stattdessen einem leisen
Gefühl von Melancholie Platz machte, der Art von Wehmut, die nur eine
vergangene und unerfüllte Liebe auslöste.
    Mit einem leisen Lächeln auf den Lippen ging der junge Priester
ins Bad zurück, um das feuchte Handtuch ordentlich aufzuhängen, als ihn
unvermittelt der große Umschlag mit dem Wappen des Vatikans ins Auge stach.
Rabea hatte ihn achtlos auf der Waschmaschine abgelegt. Rasch erbrach er das
Siegel, riss den Umschlag auf und las begierig die wenigen Zeilen. Vor
einiger Zeit hatte er eine Anfrage an den Leiter der "Biblioteca Secreto
del Vaticano", gestellt, eine Reihe der Öffentlichkeit nicht zugängliche
Bücher für seine Dissertation einsehen zu können.
Tatsächlich enthielt die Nachricht die
erhoffte Erlaubnis. Diese Genehmigungen wurden nur sehr selten erteilt und er
hatte sie wohl nur dem besonderen Ruf seiner Familie zu verdanken.
    Wenigstens hatte ihn das gute Gefühl von heute Morgen in dieser
Hinsicht nicht getrogen. Er nahm sich vor, noch heute Nachmittag, nach
der Verabredung mit seinem besten Freund, dem Jesuitenpater Simone, der
Vatikansbibliothek einen Besuch abzustatten. Obwohl sein Orden keine feste Kleidung
vorschrieb, kleidete man sich zu offiziellen Anlässen entsprechend und Lukas überlegte,
dass sein erster Besuch in der nicht öffentlichen Sektion der Bibliothek etwas
Feierlichkeit verlangte und beschloss trotz des heißen Sommertages, seinen Priesteranzug
mit dem weißen Kollar zu tragen. Einen Augenblick hielt er inne und fragte sich
ehrlich, ob bei

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