Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
diesem Entschluss nicht auch sein Unterbewusstsein eine Rolle
spielte. Konnte es sein, dass er mit der Förmlichkeit seines Anzuges Rabea
gegenüber eine gewisse Distanz demonstrieren wollte?
Bevor er diesen Gedanken weiterverfolgen konnte, zog köstlicher
Kaffeeduft durch die Wohnung und kitzelte wohltuend seine Nase. Ein Signal, das
auch seinen Magen weckte und er verspürte mit einem Mal den gesunden Appetit
eines jungen Mannes. Beschwingt betrat er die große Wohnküche, wo ihn zu seinem
freudigen Erstaunen ein opulentes Frühstück erwartete.
Auf dem antiken Tisch aus massiver Eiche dampfte Capuccino in
Riesentassen, Toast und ofenwarme Cornetti, die italienische Version von
Croissants, verströmten einen betörenden Duft und in einem Bastkorb lagen
frisch gekochte Eier bereit - Rabea hatte nicht vergessen, dass er zum
Frühstück meist gleich zwei davon vertilgte. Rabea hatte es sich am Küchentisch
in einem der Korbsessel gemütlich gemacht. Ihre nackten kleinen Füße lagen
übereinandergeschlagen auf dem Sitzkissen des benachbarten Stuhls, den sie sich
zu diesem Zweck näher herangezogen hatte. Mit einer Tasse Kaffee in der Linken
las sie den „Messaggero“, die italienische Tageszeitung, die Lukas abonniert
hatte. Bei seinem Eintreten senkte sie die Zeitung und grinste ihm erwartungsvoll
entgegen.
Der junge Mann staunte: „Das riecht köstlich. Wo oder besser wieso
hast du das inzwischen gelernt?“, fragte er überwältigt, während er sich ein
Cornetto aus dem Korb fischte, es kopfüber in die Erdbeermarmelade tunkte und noch
im Stehen heißhungrig hineinbiss. Gut konnte er sich an einen anderen von
Rabeas unzähligen Vorträgen erinnern, im Verlauf dessen sie ihm kategorisch
erklärt hatte, dass Küche und damit verbundene Tätigkeiten ihrer natürlichen
Lebensweise absolut entgegengesetzt wären.
„Tja, Hunger und Nichtkochen passen leider auf Dauer nicht
zusammen“, erwiderte Rabea weise und stand auf, um den Kühlschrank zu öffnen
und eine Flasche Frischmilch herauszunehmen. „Bestimmt hat Lucie dir erzählt,
dass ich mich in den letzten Jahren viel in den so genannten Krisengebieten
herumgetrieben habe: Gaza, Afghanistan, Irak. Da kann man nicht einfach in das
nächste Bistro oder in den Supermarkt düsen und sich bedienen. Da ist
Vorratshaltung im Rucksack angesagt. Und immer nur kalt aus der Büchse …“ Rabea
stockte, als würde ihr bewusst werden, dass sie ihm damit bereits zu viel von
sich verraten hatte. Sie lehnte sich mit verschränkten Armen an die Küchentheke
aus gebeizter Pinie und musterte ihn aufmerksam von oben bis unten. Nie zuvor
hatte sie ihn in seinem Priesteranzug gesehen und es war offensichtlich, dass
ihr nicht gefiel, was sie sah. Lukas registrierte, wie sich ihre Nase leicht
kräuselte und sie dabei die Augen zusammenkniff, ein Ausdruck, den er früher
oft an ihr beobachtet hatte, wenn sie sich über etwas ärgerte. Innerlich
wappnete er sich für eine abfällige Bemerkung, die zu seinem Erstaunen ausblieb.
Stattdessen drehte sich Rabea abrupt um und fischte mit dem Löffel ein weiteres
Ei aus dem Eierkocher. Eine Weile schwiegen sie beide. Schließlich murmelte
Rabea, mit dem Rücken zu ihm kaum hörbar: „Tut mir leid, Lukas, dass ich dich
vorhin so überfallen habe. Ich dachte, es wäre eine witzige Idee. Freust du
dich denn nicht ein kleines bisschen darüber, mich zu sehen?“
Von Stetten, der immer noch stand - aus gutem Grund, denn sein
Allerwertester schmerzte noch von dem Sturz – gewann fast den Eindruck, als ob
Rabea verlegen wäre.
Rabea und verlegen? wunderte er sich
im Stillen. Sollte sie sich tatsächlich so geändert haben? Erst das reichhaltige
Frühstück und nun diese völlig unerwartete Entschuldigung? Soweit er sich
erinnern konnte, hatte sich Rabea noch nie bei ihm für irgendetwas
entschuldigt. Die junge Frau wandte sich um und warf ihm einen flehentlichen
Blick zu. In den dunklen Tiefen ihrer grünen Augen entdeckte er einen neuen, anrührenden
Hauch von Verletzlichkeit und Lukas von Stetten streckte die Waffen . Besiegt
eilte er die zwei Schritte auf sie zu und nahm sie fest in seine Arme: „Natürlich
freue ich mich, dass du da bist . Schön dich zu sehen. Wie geht es dir? Möchtest
du jetzt einen Begrüßungskuss ?“, wiederholte er schmunzelnd ihre eigenen Worte.
Rabea schmiegte sich an seine Brust, wobei sie ihm gerade bis zur
Achsel reichte, dann hob sie sich auf die Zehenspitzen, zog seinen Kopf mit
beiden Händen herunter und
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