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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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presste ihren Mund fest auf den seinen. Lukas, der
sich einen brüderlichen Begrüßungskuss auf Wange oder Stirn vorgestellt hatte,
war für einen Moment derart überrumpelt, dass er den Kuss erwiderte.
    Als er den Überraschungsmoment überwunden hatte und sich von Rabea
lösen wollte, fragte eine spöttische Stimme : „Störe ich vielleicht?“ Lucie, seine Zwillingsschwester,
lehnte zersaust im Türrahmen. Sie gähnte herzhaft, dabei genüsslich die langen
Glieder streckend. Sie trug einen bedenklich knappen Babydoll in Schlüpferblau
und war wie Rabea barfuß.
    Lukas und Rabea antworteten ihr gleichzeitig, wobei Rabeas „ Ja “,
Lukas „ Nein “ deutlich übertönte.
    Unbeeindruckt lief Lucie auf ihre Freundin zu und drückte sie
herzlich: „Mensch Bea, wie schön, dass du da bist. Wann bist du angekommen?“
    „Erst vor einer Stunde, gegen sieben. Du hast so schön
geschnarcht, ich wollte dich nicht wecken. Danke übrigens für den Schlüssel im
Blumentopf.“
    „Ha, geschnarcht. Auf den Käse gehe ich gar nicht ein, beste
Freundin. Wie lange hast du vor zu bleiben? Du bleibst natürlich hier bei uns,
ein Hotel kommt gar nicht in Frage“, erwiderte Lucie bestimmt und schnappte
ihrem Bruder das letzte Cornetto vor der Nase weg. Bei der Gelegenheit fiel ihr
die hässliche Beule auf, die die Stirn ihres Bruders seit dem Zusammenstoß mit
der Teleskopstange zierte. Seit wann boxt Lukas wieder ? fragte sie sich
verwundert, als sie von Rabeas Antwort auf ihren Vorschlag und Lukas folgender,
heftig ausfallender Reaktion abgelenkt wurde.
    „Ich denke, sechs Wochen Rom werden reichen. Im Moment verhandele
ich noch über eine Interviewserie, habe aber auch einige interessante
Themenvorgaben in Arbeit. Danke für dein Angebot Lucie, ich bleibe natürlich
gerne hier.“
    “Moment!“ Lukas, der im Stehen aus seiner Tasse getrunken hatte,
verschluckte sich beinahe. „Was meinst du mit hier bleiben? Doch nicht in der
Wohnung?“ Sein Unbehagen bei der Vorstellung, sechs Wochen mit Rabea unter
einem Dach zu verbringen, stand ihm deutlich ins Gesicht geschrieben.
    Lucie bedachte ihren Bruder mit einem prüfenden Blick. Seit jeher
reagierte sie sehr empfindlich auf seine Stimmungen. Vor allen Dingen, da er in
seiner Ausgeglichenheit kaum welche hatte.
    Rabea hackte ihre spitze Zunge sofort in die Kerbe: “Wieso willst
du mich denn schon wieder loswerden, Bruder Lukas? Befürchtest du etwa, dass
ich dich zu etwas verleiten könnte, was du nicht möchtest?“
    Zum zweiten Mal an diesem Morgen schoss dem jungen Priester das
Blut ins Gesicht.
    Was für ein Biest , dachte Lucie
und erinnerte sich unwillkürlich an eine Episode an Rabeas sechstem Geburtstag.
Trotz ihrer jüdischen Abstammung hatten ihre Großeltern die Geburtstage ihrer
einzigen Enkelin stets konventionell mit Kuchen, Kerzen und Geschenken
gefeiert. Lucie sah ihre winzige Freundin vor sich, wie sie energisch auf einen
Stuhl am Esstisch kletterte und sich auf die brennenden Kerzen auf dem Kuchen
vor sich konzentrierte. Die ganze Schar der kleinen Gäste kreischte: „ Ausblasen,
ausblasen “ und „ Wünsch dir was , Rabea. “ Sie blies tatsächlich
alle sechs auf einmal aus und eines der Kinder drängelte danach lautstark:
„Rabea, los, was hast du dir gewünscht?“, während Lukas beschwörend dazwischen rief:
„Nein Rabea, nicht verraten, sonst geht es nicht in Erfüllung.“
    Rabea hatte ihn mit ihren grünen Augen angesehen und Lucie
erinnerte sich, wie sehr sie schon damals von der brennenden Intensität im Blick
ihrer Freundin fasziniert gewesen war. Die Kleine hatte sich zu ihrer ganzen
zarten Größe gereckt und trotzig gerufen: „Das ist mir piep egal.“ Die Kinder
hielten gebannt die Luft an und Rabea ließ die Bombe platzen: „Ich habe mir
gewünscht, dass Lukas und ich heiraten und viele Babys haben.“ Ihren Sinn für
dramatische Auftritte hatte sie damals schon gehabt und inzwischen weiter perfektioniert.
    Rabeas sechster Geburtstag war eine ihrer frühesten gemeinsamen
Kindheitserinnerungen. Die drei waren in Nürnberg aufgewachsen und bis zum Ende
der Schulzeit unzertrennlich gewesen. Der dritte Zwilling, so hatte man Rabea
überall genannt. Gleichaltrig hatten alle im selben Jahr ihr Abitur am
Melanchthon-Gymnasium absolviert. Danach war Lucie bekanntlich mit Rabea für
sechs Monate in Richtung Naher Osten durchgebrannt und gemeinsam hatten sie einige
verrückte und gefährliche Abenteuer erlebt. Wie gefährlich es

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