Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
gekommen?", fragte der Commissario
sichtlich verärgert.
"Sie
haben Recht. Aber Sie müssen verstehen, dass ich so handeln musste. Schließlich
war es der ausdrückliche Wunsch des Pater General Bentivoglio, dass nur ich
alleine Zugang zu dem Inhalt haben sollte. Ich musste es ihm auf die heilige
Bibel schwören und als Priester bin ich daran gebunden."
Grassa
machte ein Gesicht, als hätte er in eine Zitrone gebissen. "So, und für
Frau Rosenthal haben Sie wohl eine Ausnahme gemacht, oder?", erwiderte der
Commissario süffisant.
Dazu
fiel Lukas nicht viel ein und er schwieg betreten.
Der
Italiener faltete seine Hände ineinander, stützte beide Ellenbogen auf den
Tisch und legte sein Kinn darauf ab. "Nun denn, immerhin scheinen wir der
Sache näher zu kommen. Bevor ich Ihnen die naheliegende Frage stelle, nämlich,
was Sie in diesem verdammten Schließfach gefunden haben, möchte ich zuvor ein
kurzes Detail klären: Wer ist dieser Bischof Franz, den Sie vorher erwähnt
haben und wie kommt es, dass Sie an seiner Stelle anstatt dem Pater General die
Beichte abgenommen haben?"
Ein
sichtbarer Schatten flog über Lukas Gesicht, als er ihm mit dumpfer Stimme
antwortete: "Franz von Stetten war der Bischof von Bamberg und mein Onkel.
Außerdem war ein enger Freund und Studienkollege des Pater General. Er wurde
vor drei Monaten ermordet.“
"Hmm."
Der Commissario schien eine Weile nachzudenken. "Hat man die Mörder Ihres
Onkels gefasst?", erkundigte er sich dann und als von Stetten den Kopf
schüttelte: "Es könnte sich natürlich nur um einen Zufall handeln. Es
könnte aber auch heißen, dass die ganze Angelegenheit bereits vor drei Monaten
ihren Anfang genommen hat. Ich werde das auf jeden Fall nachprüfen und die
Akten Ihres Onkels von meinen deutschen Kollegen anfordern. Nun denn, ich
glaube, ich habe genug Geduld bewiesen, Pater von Stetten. Verraten Sie mir
jetzt, was Sie in dem Schließfach gefunden haben?"
Die
Stunde der Unwahrheit war gekommen. Etwas zu Verschweigen war eine Sache, aber
absichtlich die Unwahrheit zu sagen, während ihm der gegenständliche Beweis des
sehr wohl existierenden Inhalts, förmlich den Hintern versengte, widerstrebte
ihm aufs heftigste. Er erinnerte sich an Rabeas Ermahnungen: Zögere nicht
mit deinen Antworten, Lukas und wenn, bewege deine Augen dabei nach links, aber
nie nach rechts unten. Ein erfahrener Beamter erkennt sofort: Wenn du nach
rechts siehst, lügst du. Nach links sehen bedeutet, du versuchst dich zu
erinnern. Am besten, du siehst ihm offen und klar in die Augen. Gib kurze und
präzise Antworten und verliere dich nicht in ausschweifenden Erklärungen,
o.k.?"
Inzwischen
fragte sich Lukas nicht mehr, woher Rabea das alles wusste …. Nun rief er sich
all dies ins Gedächtnis und antwortete dem Commissario: "Nichts. Das
Schließfach war leer." Die Lüge war raus. Krampfhaft bemühte er sich
gerade aus direkt in die Augen des Commissario zu blicken und dabei nicht zu
blinzeln.
Pater
Simone, der keinerlei Ahnung von den Methoden und Analysen geheimdienstlicher
Verhörtechniken hatte, sog hörbar die Luft ein und sah unangenehm berührt nach
rechts unten.
"Was
soll das heißen, leer?", blaffte Grassa ungehalten.
„Nichts.
Leer. Es muss uns jemand an diesem Schließfach zuvorgekommen sein. Immerhin hat
Bentivoglio dort dreißig Jahre lang nicht mehr nach dem Rechten gesehen. Wer
weiß, wie lange die Dokumente schon verschwunden sind." Geschmiert von der
ersten, flutschte ihm die zweite Lüge bereits viel leichter über die Lippen.
Trotzdem überkam ihn der jähe Impuls, sich zu bekreuzigen, was er jedoch
notgedrungen sein ließ.
„Meine
Güte, von Stetten. Und das soll ich Ihnen glauben? Das stinkt doch derart zum
Himmel, dass mir beinahe die Nase abfällt.“ Erregt war Grassa aufgesprungen und
lief in der Küche auf und ab. An dieser Stelle hatte sein von Rabea
soufflierter Text den Satz: „ Glauben Sie, was Sie wollen, Grassa, aber das
ist die Wahrheit “, vorgesehen. Aber Lukas situationsbedingtes Aufflackern
an krimineller Energie war erschöpft und er konnte den Satz nicht
herausbringen, er steckte irgendwo zwischen seinem Hals und seinem Gewissen
fest.
Grassa
ging zur Küchentüre, öffnete diese und rief einem auf dem Flur stehenden
Beamten zu: „Holen Sie mir sofort Signorina Rosenthal."
Und
an Pater Simone gewandt: „Ich sehe da eine Kaffeemaschine. Ich würde gerne auf
Ihr Angebot von vorhin zurückkommen“, bat er mit der bissigen Höflichkeit
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