Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Überlegen Sie sich also gut, was Sie mir jetzt
antworten werden. Trotz des an Sie ergangenen Verbots haben sie und Frau
Rosenthal heute Morgen die Stadt verlassen. Sie riskierten damit den Verfall
Ihrer Kaution und Ihre sofortige Wiederfestnahme. Von Ihrer Schwester weiß ich,
dass der Generalobere Ihnen gegenüber eine Beichte abgelegt hat. Ich frage Sie:
Was hat Ihnen Bentivoglio so kurz vor seinem Tod erzählt und was hatten Sie in
diesem Haus in Mergo zu suchen? Erzählen Sie mir nicht, es war nur, um Ihrem
Vergnügen mit Frau Rosenthal zu frönen, denn soweit hätten Sie dafür ja nicht
fahren müssen, nicht wahr?"
Lukas
musste sich die Antwort nicht lange überlegen, obwohl es ihm widerstrebte, die
Wahrheit verbiegen zu müssen. Er hatte jedoch, mit einer gehörigen Portion
Nachhilfeunterricht seitens Rabea, eingesehen, dass die ungewöhnliche Situation
es erforderlich machte. Sie hatten sich geeinigt, sich bei der Befragung mehr
oder weniger an die Wahrheit zu halten, um ein Höchstmaß an Glaubwürdigkeit zu
erzielen. Die wichtigste Passage aber würden sie unterschlagen, nämlich den
Inhalt des Schließfaches. Die Dokumente lagen inzwischen sicher verstaut im
Safe einer Bank in Rom, den Pater Simone vor etwas mehr als einer Stunde in
ihrem Auftrag angemietet hatte. Beiden war vollkommen klar gewesen, dass sie
unmöglich mit den auffälligen Schriftrollen in der Via dei Coronari auftauchen
konnten, ohne dass diese sofort als Beweismaterial von Grassa konfisziert
worden wären und somit mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Nimmerwiedersehen
verschwänden. Noch immer wussten sie nicht, wer ihr unbekannter und
gefährlicher Gegner war, jedoch schien er über ungeheure Macht und Geldmittel
zu verfügen, die jeden Arm soweit verlängerte, dass er sogar bis ins
Polizeipräsidium Roms reichen konnte.
Zuvor
jedoch hatte Lukas bei Rabea mühsame Überzeugungsarbeit leisten müssen, da sie
vehement gegen einen Priester als weiteren Mitwisser in der Angelegenheit
eingetreten war. Am Ende hatte sie widerstrebend nachgegeben, da sie selbst mit
keiner besseren Idee für eine sichere Verwahrung der Dokumente aufwarten konnte
und zudem die Zeit drängte. Lukas rief also seinen Freund Simone an, weihte ihn
in das Nötigste ein und traf sich dann mit ihm in der Nähe der von Simone
vorgeschlagenen Bank im Centro Storico. Die ganze Übergabe hatte keine zwei
Minuten gedauert. Rabea hatte die Idee, die Lederhüllen zu leeren und diese
mitzunehmen, falls der Bankbeamte in Mergo aussagte, diese bei ihr gesehen zu
haben. Trotzdem wollten sie versuchen, diese Grassa so lange wie möglich
vorzuenthalten. Lukas hegte große Zweifel, dass es ihr überhaupt gelingen
würde, die auffälligen Lederhüllen unbemerkt ins Haus zu schmuggeln.
Das
Tohuwabohu bei ihrer Ankunft kam ihnen jedoch unerwartet zur Hilfe. Vor dem
Haus und in der Wohnung herrschte großer Andrang, während das Treppenhaus wie
ausgestorben wirkte. So konnte Lukas die Hüllen unbemerkt in einem der eingebauten
Wandschränke im Treppenhaus hinter einem großen Staubsauger verstauen und
absperren. Rabea steckte den Schlüssel ein.
Simone
hatte auf Bitten Lukas` keine unnötigen Fragen gestellt, sondern die
Angelegenheit schnell und präzise für sie geregelt. Dann war er, kurz vor
Lucies Rückkehr, in der Wohnung in der Via dei Coronari aufgetaucht und hatte
Lukas den Schlüssel zum Schließfach unbemerkt zugesteckt. So kam es, dass von
Stetten bereits zum zweiten Male innerhalb von 48 Stunden unfreiwillig zum
Besitzer eines Schlüssels für ein Schließfach avancierte. Wieder fühlte es sich
für Lukas an, als würde er auf einem großen heißen Stein sitzen.
Lukas
räusperte sich, bevor er Grassa antwortete, der sich gespannt zu ihm vorgebeugt
hatte.
"Wie
Sie wissen, Commissario, war der Pater General Bentivoglio sterbenskrank.
Er bat mich deshalb gestern, in Vertretung meines Onkels, des Bischofs Franz,
ihm die Beichte abzunehmen. Danach übergab er mir einen Schließfachschlüssel,
mit der Auflage, das Schließfach erst nach seinem Tode zu öffnen. Der Pater
General versicherte mir, dass es sich bei dem Inhalt um keine weltlichen
Schätze, sondern um ideelle und allein die Kirche betreffende Dokumente
handelte. Frau Rosenthal und ich sind heute Morgen zu der Bank gefahren, weil
wir hofften, in den Dokumenten Hinweise auf die wahren Täter zu finden."
„Ach,
und auf die Idee, mich in Ihre Erkenntnisse einzuweihen und gemeinsam zu der
Bank zu fahren, sind Sie nicht
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