Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Hauptgericht hatte sie
Toast, zum Dessert würde sie einen Jesuiten verspeisen.
"Ganz
so einfach ist das nicht, Freund Simone. Überlegen Sie doch, wenn es sich nur
um harmlose gnostische Texte handeln würde, warum sollte Bentivoglio sie
dreißig Jahre lang heimlich verwahren und eine derart konspirative Übergabe an
Lukas inszenieren? Nein, sein merkwürdiges Verhalten entbehrt jeglicher Logik.
Die Schriften müssen etwas Gefährliches bergen, etwas das nicht nur der Kirche,
sondern auch dem Jesuitenorden schaden könnte und Bentivoglio muss sich dessen
absolut bewusst gewesen sein. Würdest du mir soweit zustimmen, Freund
Simone?"
Widerwillig
nickte der dicke Pater, während er merklich langsamer auf seinem Toast
herumkaute.
"Gut.
Also zurück zu meiner Theorie ´nicht gläubigenfeindlich`. Wie ihr wisst,
entstanden die vier Evangelien des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes,
zwischen den beiden großen Aufständen in Judäa, 66-70 n. Chr. und 132-135 n.
Chr. Doch während der Christenverfolgungen im frühen 4. Jahrhundert gingen alle
bekannten frühchristlichen Dokumente verloren oder wurden vernichtet. Zu jener
Zeit entstanden beinahe fünftausend Abschriften, die leider das ausschließliche
Ergebnis der Hüter der Orthodoxie waren, das heißt, sie wurden damals römisch-konform
aufbereitet, um den Weg für eine Verschmelzung des vorherrschenden
Polygötterglaubens der Römer mit dem neuen christlichen Monoglauben zu
ebnen."
An
dieser Stelle unterbrach Pater Simone sie, um Rabea mit einer Frage
herauszufordern, deren Antwort er bereits kannte. Noch sträubte er sich
dagegen, dass ihr Wissen tiefer ging, als er zunächst vermutet hatte: "Was
soll das heißen, römisch-konform aufbereitet?"
Rabea
nahm die Herausforderung an: "325 herrschte Kaiser Konstantin über ein
römisches Reich, das bereits an allen Ecken bröckelte. Um seine Macht zu
sichern, sah er sich gezwungen, seinem Volk die neuerdings vorherrschende
Religion zuzugestehen: das Christentum. Geschickt hat er es dabei verstanden,
die ursprüngliche Staatsreligion, den Sol-Invictus-Kult, die unbesiegbare Sonne,
mit der christlichen Religion zu kannibalisieren, die selbst wiederum mit
Ansätzen aus dem Judentum vermischt war: Jesus war Jude und tief in der
jüdischen Tradition verwurzelt. Zum Beispiel würden die Christen noch heute den
jüdischen Sabbat als geheiligten Ruhetag feiern, wenn Konstantin damals nicht
verfügt hätte, es auf den Feiertag seines eigenen Kultes, den Sonntag, zu
legen. Konstantin war nie Christ, sondern blieb zeitlebens seinem eigenen Kult
treu. Die Führer der Frühchristen mussten sich damals den römischen Anordnungen
fügen, um ihren Machtanspruch zu festigen. Das ist auch der Grund, warum der römische Statthalter von Jerusalem, Pontius Pilatus, der die Kreuzigung Jesu befohlen
hat, in den Evangelien relativ gut weg kommt. Er wird darin als beinahe
redlicher Mann dargestellt, der nur umständehalber in den Fall Jesu verwickelt
wurde. Eine bewusste Manipulation, denn historisch belegten Quellen zufolge war
er ein bestechlicher Säufer und die eigenen Vorgesetzten sahen sich später
gezwungen, Pilatus mit dem Vorwurf der Brutalität als Statthalter Jerusalems
abzusetzen. Die Evangelisten aber sprechen ihn wundersamerweise von der Schuld
am Tode Jesu frei und schieben ihn stattdessen der jüdischen Rechtssprechung in
die Schuhe. Bis heute wird kolportiert, die Juden hätten ihren eigenen Messias
gekreuzigt. Eine bewusst lancierte und hinterhältige Lüge! Unser jüdischer Hohe
Rat, der Sanhedrin, hätte bei einer Verurteilung Jesu ausschließlich den Tod
durch Steinigung anordnen können. Der Tod durch das Kreuz war eine rein
römische Erfindung und beweist, dass Jesus einem römischen Gericht und
einem römischen Urteil unterworfen wurde. Aufgrund Pilatus` verbriefter
Bestechlichkeit glaube ich, wie auch viele Bibelforscher, dass Josef von
Arimathea, ein reicher jüdischer Bürger Jerusalems, Pilatus vermutlich
bestochen hat, damit er Jesus sein eigenes Grabmal zur Verfügung stellen
konnte, denn damals hatte kein Gekreuzigter jemals ein Anrecht auf eine
rituelle Beerdigung. Einige Wissenschaftler glauben sogar, dass er gemeinsam
mit Jesus einen gefährlichen Plan ausgeheckt haben könnte: nämlich dessen Tod
am Kreuz nur vorzutäuschen. Damals fanden täglich bis zu fünfhundert
Kreuzigungen statt, da konnte man schon einmal den Überblick verlieren.
Übrigens taucht Joseph von Arimathea nicht nur in den Evangelien
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