Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
auf. Später
wird er in vielen Sagen, auch in der Artussage, als Hüter des heiligen Grals
beschrieben. Zurück zu Konstantins Konzil in Nizäa: Der bis dato als Mensch
verehrte Jude Jesus bekam dort just seinen göttlichen Status verpasst.
Urplötzlich, 325 Jahre nach seinem gewaltsamen Tod, war Jesus kein
normalsterblicher Messias mehr, sondern ein Gott! Ein weiterer
Manipulationsbeweis auf Wunsch Konstantins, um die beiden Kulte zu
verschmelzen. Schlau berief man sich hierbei auf das Evangelium des Johannes,
das bekanntlich 160 Jahre nach Jesu Tod entstand. Dort ist zwar von Jesus
als Gottes Sohn die Rede, setzt man jedoch die Worte in den Kontext, lernt man,
dass Jesus Botschaft an die Nachwelt lautete: Wir sind alle Kinder Gottes! Erkenne dich selbst und du findest das Göttliche in dir. Jesus war
Gnostiker, seine Botschaft war gnostisch. Gnosis ist griechisch und steht für
Erkenntnis. Das Gute kommt vom Menschen, nicht von Gott! Die neuen römischen
Christen taten nun genau das, was ihnen selbst dreihundert Jahre lang
widerfahren war: Sie verfolgten alle Gnostiker, die weiter an der wahren
Botschaft Jesu festhielten, töteten sie und vernichteten ihre Schriften. Ist es
nicht traurig, dass niemand grausamer handelt als ein ehemals Verfolgter? Ich
komme wohl besser zur Sache, bevor ich Freund Simones Blutdruck ganz auf dem
Gewissen habe …", meinte Rabea, der nicht entgangen war, wie dieser im
Laufe ihres Vortrages erneut rot angelaufen war und sich nur noch mit Mühe
zurückhielt. Dies war Lukas zu verdanken, der ihm an der Stelle, als Rabea von
der vermeintlich vorgetäuschten Kreuzigung Jesus sprach, beschwichtigend die
Hand auf die Schulter gelegt hatte.
"Es
ist so: Ich habe euch gegenüber einen kleinen Wissensvorsprung, weil ich auf
der Rückfahrt bereits ein wenig in den Aufzeichnungen Bentivoglios herumstöbern
konnte. Offenbar handelt es sich bei einer der Schriftrollen tatsächlich um ein
Original-Evangelium aus dem 1. Jahrhundert! Leider konnte ich auf die Schnelle
keinen der bekannten Evangelisten entdecken. Aber Bentivoglio deutet an, dass
es wegen der Schriftrollen im letzten Drittel des 18. Jahrhunderts fast zu
einer zweiten, großen Verschwörung gegen die Staatskirche gekommen wäre, nach
der ersten durch Martin Luther. Das Ungeheuerliche aber daran ist, dass hier
ein Zusammenhang mit dem Verbot des Ordens von 1773 zu bestehen scheint. Wenn
Jesuiten an einer solchen Verschwörung beteiligt waren, das heißt, Bentivoglio
den wahren Grund für das Ordensverbot entdeckt hätte, würde dies das Rätsel
erklären, warum er die Unterlagen versteckt hat. Das Beste zum Schluss: Bentivoglio
erwähnte auch einen Schatz, wortwörtlich spricht er vom größten Schatz der
Christenheit. Fangt aber bitte jetzt bloß nicht an, vom Gral zu träumen.
Genaueres wissen wir erst, wenn wir seine kompletten Aufzeichnungen und
Dokumente gesichtet und übersetzt haben.Hoppla!“, Rabea sah auf ihre
Armbanduhr, "Es wird spät, schon nach halb vier. Auf Freund Simone, gehen
wir. Sonst schließt die Bank."
Rabea
war aufgesprungen und sah ihn auffordernd an. Der Angesprochene war derart
verblüfft von der abrupten Wendung des Gesprächs, dass er, steif wie ein
gepökelter Stockfisch, sitzen blieb. Da er sich innerlich bereits eine seiner
Meinung nach genialen Erwiderung auf Rabeas Blasphemien zurechtgelegt hatte,
wie zum Beispiel, dass sich Jesus sehr wohl zu Lebzeiten selbst als Gottes Sohn
bezeichnet hatte, und keinesfalls auf dem Konzil zu Nizäe dazu gemacht wurde,
fühlte er sich plötzlich wie ein Hungriger, der um seine zum Greifen nahe
Mahlzeit betrogen worden war.
Rabea
war bereits an der Tür und rief über die Schulter: "Ich hole meine Tasche
und meinen Laptop, dann können wir sofort los."
Widerwillig
musste Lukas zugeben, dass Rabeas wohlkalkulierte Taktik beeindruckend war.
Innerhalb kürzester Zeit hatte sie es geschafft, seinem Freund ihre Kenntnisse
und Auslegung der Kirchengeschichte unter die Nase zu reiben und ihnen eine
mehr als gewagte Theorie auf dem Brevier serviert, um diese dann zusammen mit
ihnen einfach im Raum stehen zu lassen.
Simone
räusperte sich konsterniert und, da ihm nichts anderes übrig blieb, folgte er
Rabeas Beispiel und erhob sich. Lukas zog den Schließfachschlüssel aus seiner
Hosentasche und reichte ihm diesen mit einem entschuldigenden Lächeln.
Schon
an der Türe drehte sich Simone nochmals zu ihm um: "Weißt du Lukas, ich
muss mich korrigieren. Ich habe mich geirrt.
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