Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
sechzehn und wusste nichts von Männern. Er kam
beinahe jede Nacht und seine Praktiken wurden immer perverser. Mutter wollte
weglaufen, aber sie ahnte, dass ihr niemand glauben würde. Das Wort eines
angesehenen Priesters gegen eine junge, behinderte Waise? Dann, nach Jahren des
Martyriums, wurde sie schwanger. Sie verbarg die Schwangerschaft vor dem
Priester, bis es zu spät für eine Abtreibung war. Sie wusste, dass er sie dazu
gezwungen hätte. Meine Mutter kümmerte sich rührend um mich und ich wuchs
heran. Mein Leben änderte sich, als der Priester begann, sich für mich zu
interessieren. Meine Mutter reagierte darauf völlig hysterisch und ließ mich
nicht mehr aus den Augen. Sie hat es trotzdem nicht verhindern können. Eines
Tages, ich war gerade elf geworden, holte der Onkel Priester mich von der
Schule ab und fuhr mit mir in eine Hütte im Wald. Er tat mir sehr weh und dann
machte er mir Angst und drohte mir mit der ewigen Verdammnis, wenn ich unser
Geheimnis verraten würde. Ab da kam es vor, dass meine Mutter noch am
Abendbrottisch wegdämmerte und wie eine Tote schlief. Erst später habe ich
verstanden, dass er sie mit einem starken Schlafmittel betäubt hat, denn an
diesen Abenden kam er jedes Mal in mein Bett. Mit kaum vierzehn wurde ich
schwanger und da wusste meine Mutter Bescheid. Sie stellte den Priester zur
Rede und sie stritten sich. So außer sich habe ich meine Mutter noch nie erlebt.
Am nächsten Morgen war sie tot. Er hat sie umgebracht. Der Arzt, ein guter
Freund des Priesters zweifelte nicht an dessen Aussage, dass sich meine Mutter am
Abend nicht wohl gefühlt und über Herzstechen geklagt hatte. Noch am Tag der
Beerdigung bin ich zur Polizei gegangen. Sie haben mir nicht geglaubt und mich
stattdessen zu ihm zurückgebracht. Von da an habe ich mit einem Messer unter
meinem Kissen geschlafen und als er sich erneut an mich herangemacht hat, habe
ich versucht, ihn abzustechen. Am nächsten Morgen ließ er mich abholen und in
ein katholisches Heim für schwer erziehbare Kinder einsperren. Aber ich habe
keine Ruhe gegeben und dem Bischof einen Brief geschrieben. Einige Tage darauf
hat man mich wieder abgeholt, in eine geschlossene Abteilung verlegt und
monatelang mit Drogen ruhig gestellt. Mein Kind haben sie mir sofort nach der
Geburt weggenommen. Ich begriff, dass es so nicht weitergehen konnte, ich würde
sterben. Deshalb lernte ich fügsam zu sein und wurde zur geläuterten
Musterschülerin. Ich wusste, meine Zeit würde kommen, denn Rache ist eine
geduldige Bestie." Sie hielt inne, ihre Augen in weite Fernen entrückt.
Rabea unterdrückte ein Schaudern und mühte sich, weiterhin ihre objektive
Journalistenmiene beizubehalten. Die Frau setzte ihren hasserfüllten Monolog
fort: "Mein ganzes Leben plane ich meine Rache an der katholischen
Staatskirche. Um meine Feinde zu besiegen, warf ich mich mitten unter sie und
studierte Theologie, Dogmatik und frühchristliche Sprachen. Sie können mir
glauben, ich habe mir meinen Erfolg mit sehr viel harter Arbeit selbst erkämpft.
Die Zeit der Rache ist gekommen. Inzwischen habe ich genug unwiderlegbares
Beweismaterial gegen den Vatikan und seine geheimenMachenschaften
zusammengetragen. Es hat mich ein Vermögen gekostet. Die Dokumente aus
Bentivoglios Schließfach wären nur noch die Kirsche auf meiner Torte der
Vernichtung. Können Sie sich vorstellen, wie die Öffentlichkeit reagiert, wenn
eine weltweit angesehene und als seriös bekannte Theologin urplötzlich die
Seiten wechselt und ein vernichtendes und unwiderlegbares Dossier über die
katholische Staatskirche und ihren zwei Jahrtausende währenden Betrug am
einfachen Gläubigen vorlegt? Schon Goethe sagte, mit dem Wissen wächst der
Zweifel, und glauben Sie mir, ich werde sie zweifeln lassen. Ich habe die
historische Gestalt Jesu jahrzehntelang studiert. Er war ein einfacher
jüdischer Wanderprediger, einer von vielen, die damals durch das Land zogen,
doch er hatte Charisma und seine klare Botschaft der Nächstenliebe und des
Friedens sicherte ihm viele Anhänger im von den römischen Machthabern unterdrückten
Israel. Sein Glück war, dass der römische Kaiser Konstantin befand, dass das
Christentum nützlich wäre, um sein dem Untergang geweihtes Reich zu retten. Es
ging nie um Jesus oder seine Botschaft, es ging immer nur um die männliche Macht.
Dreihundert Jahre nach seinem Tod erfolgte die Geburtsstunde der Märchenfibel
Bibel. Die Männer stellten das Neue Testament nach ihrem
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