Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Abstand von zehn Metern
versetzt auf jeder Seite der Wand Halterungen aus Eisen angebracht waren. Er
kannte diese Art von Halterungen, die in früheren Zeiten dazu dienten, Fackeln
an ihnen zu befestigen. Dies zeigte ihm, dass die Grotte früher häufig benutzt
worden sein musste. Nach der leichten Linkskurve stieg der Weg etwas an und
machte eine weitere sanfte Biegung nach links. Nach ungefähr weiteren fünfzig
Metern gabelte sich der Weg. Links oder rechts? Ignazio überlegte, dass er sich
nun ziemlich genau unter der Marienkapelle befinden musste. Er ging einige
Schritte in den linken Gang hinein, der kurz darauf in einer Sackgasse, einer
kleinen, halbrunden Höhle mündete. Eine ähnliche Leiter wie die, die in die
Grotte hinabgeführt hatte, führte hier nach oben. Er kletterte die wenigen Sprossen,
diesmal zählte er nur fünfzehn, hinauf, bis sein Kopf beinahe die Decke
berührte. Er konnte die Umrisse einer großen Steinplatte im Felsen erkennen,
die eine rechteckige Öffnung verschloss. Bentivoglio schätzte ihre Maße auf
ungefähr 60 x 60 cm. In der Mitte der Platte war ein großer, rostiger Eisenring
angebracht. Unter Mobilisierung seiner gesamten Kräfte gelang es ihm, die
Steinplatte soweit anzuheben, dass er sie mit einem geräuschvollen Knirschen
zur Seite schieben konnte. Steinstaub und Mörtel rieselten auf ihn herunter. Er
erklomm eine weitere Sprosse und schob Kopf, Schultern und Arme langsam durch
die entstandene Öffnung hindurch und leuchtete vorsichtig in die Runde. Er befand
sich direkt unter der kleinen Marienkapelle. Die Steinplatte über der Öffnung
befand sich hinter dem Altar. Aber irgendetwas sagte ihm, dass er in der
Kapelle nicht fündig werden würde. Außerdem konnte er sich dort unter einem
einfachen Vorwand auch bei Tage umsehen. Er wollte lieber sehen, wohin der
rechte Gang führte. Er zog sich zurück und griff mit beiden Händen nach dem
Eisenring. Ächzend schob er die schwere Steinplatte wieder an ihren Platz
zurück und mit einem schweren Knirschen rastete sie ein. Noch auf der Leiter
hielt Ignazio kurz inne, um etwas zu verschnaufen und sich den Schweiß und
Steinstaub aus dem Gesicht zu wischen. Dann kletterte er die Leiter hinab,
leuchtete aber vorsichtshalber die Felswände rechts und links von der Leiter
nach weiteren Nischen ab, wurde diesmal jedoch nicht fündig. Er kehrte zurück
zur Gabelung, sah dass sein Seil nicht mehr lange reichen würde und ließ es an
Ort und Stelle zurück. Dann folgte er der Grotte tiefer in den Berg hinein. Der
Gestank nach Verwesung verstärkte sich, der Kadaver konnte nicht mehr weit
sein. Richtig. Nach nur wenigen Metern trat er plötzlich, mit einem Geräusch
als ob Luft entweicht, auf etwas Weiches. Entsetzt erkannte Ignazio im
Lichtkegel, das sein Schuh im Kadaver einer fetten, toten Katze steckte. Angeekelt
zog er den Fuß heraus und trat mit dem Schuh einige Male gegen die Felswand, um
die gröbste Sudelei von der Sohle abzustreifen. Er fragte sich, wie die Katze
wohl hier herein gefunden hatte? Wurde die Grotte natürlich belüftet oder war
das Tier durch einen angelegten Belüftungsschacht hereingekommen? Er ärgerte
sich, dass er nicht daran gedacht hatte, ein Feuerzeug mitzunehmen, damit hätte
er die Richtung eines eventuellen Luftzuges lokalisieren können. Die Katze konnte
kaum länger als eine Woche tot sein. Aber er hatte keine Ahnung, wie Temperatur
und Luftfeuchtigkeit hier unten auf einen toten Organismus einwirkten.
Unwillkürlich fragte er sich, ob es hier vielleicht einen zweiten Eingang gab?
Vorsichtig tastete er sich weiter den dunklen, niedrigen Gang entlang, tiefer
in den Berg hinein und allmählich verlor sich der Gestank. Nun begann ihn die
Frage zu quälen, ob er heute überhaupt etwas finden würde? Würde es groß und
schwer sein? Wie sollte er es dann transportieren? Wenn morgen die Baugrube
wieder zugeschüttet werden würde, wie kam er wieder in die Grotte zurück? Durch
den Einstieg in der Kapelle? Der Eisenring war innen angebracht, so dass die
Steinplatte nur von innen bewegt werden konnte. Von oben mit einem Brecheisen
heranzugehen, hielt er für keine gute Idee, da sie beschädigt werden könnte und
unnötige Aufmerksamkeit auf den Gang lenken würde, was er auf alle Fälle
vermeiden wollte.
Völlig versunken in seine Überlegungen hatte Ignazio nicht mehr
auf den Weg geachtet. Plötzlich trat er ins Leere. Panisch ruderte er mit den
Armen und suchte vergeblich sein Gleichgewicht zu halten. Die
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