Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
wartete. Doch der friedliche
Eindruck täuschte, der Mann war hellwach. Unter seinen langen Wimpern behielt
er seine Umgebung genau im Auge, bereit, beim geringsten Anzeichen von Gefahr
zu handeln. Jünglingshaft frisch und blond strahlte er jene Art von perfider
Unschuld aus, die ihn deutlich jünger als seine dreißig Jahre wirken ließ.
Aufgewachsen auf einer Schweinefarm in der Poebene, versuchte er seither, den
Gestank seiner Kindheit abzuschütteln, in dem er sich stets in die Art von
weltläufiger Eleganz kleidete, die man für teures Geld erwerben konnte. Auf der
Straße warf ihm so manche reife Dame sehnsuchtsvolle Blicke zu, ohne zu ahnen,
dass sich hinter seiner engelhaften Erscheinung eine vergiftete Seele verbarg:
Der so unschuldig wirkende Jüngling war nichts anderes als ein professioneller
Killer. Seine Karriere des Bösen hatte bereits früh begonnen: Als Kind stahl er
die Dorfkatzen und quälte sie mit grausigen Experimenten zu Tode. Damals
verspürte er das erste Mal die Macht, die über Leben und Tod entschied. Seine
Eltern, verzweifelt und überfordert, hatten ihn schließlich einem Heim für
schwer erziehbare Kinder übergeben müssen, nachdem sich sowohl seine Lehrer als
auch Eltern von Mitschülern über den Jungen massiv beschwert hatten. Seinen
ersten Mord beging er mit dreizehn Jahren an einem der Hauslehrer im Heim, dort
verlor sich die Spur seines alten Lebens. Der Killer war von beinahe
diabolischer Intelligenz und seine Auftraggeber schätzten an ihm, dass er alle
seine Aufträge akribisch bis ins letzte Detail plante und durchführte. Die
blutige Spur seiner Taten zog sich quer durch Europa. Keine Behörde, vom
deutschen BKA über Scotland Yard bis zu Europol, die ihn inzwischen nicht ganz
oben auf ihrer Fahndungsliste stehen hatte. Aber er narrte alle Behörden. Nie wurde
er verhaftet, noch kannte jemand sein Gesicht, denn keines seiner Opfer hatte
je überlebt. So wurde der Protektor auf ihn aufmerksam. Er wollte den Mann, der
als bester seiner Zunft galt, exklusiv für sich gewinnen. Der Killer nannte
eine Summe und der Protektor zahlte ihm den doppelten Preis für seine
Loyalität. Der Protektor übertrug ihm eine wichtige Position innerhalb seiner
weltweit verzweigten Organisation. Der Killer nannte sich selbst Gabriel und
nichts weiter und der Protektor fand, dass der Name zu ihm passte, denn er war
tatsächlich schön wie der Erzengel.
Der zweite Mann saß hinten im Lieferwagen vor einem der Monitore.
Er trug einen Kopfhörer und spielte an verschiedenen Reglern herum. Der
Arbeitsplatz vor ihm glich einer Müllkippe und war mit leeren Pappbechern,
vollen Aschenbechern und diversen, unappetitlichen Essensresten übersät.
Unrasiert, in einem schmuddeligen, über seinem Bauch spannenden Arbeitskittel
wirkte er im Gegensatz zur filigranen Schönheit seines Kollegen wie ein grobschlächtiger
Bauer. Dabei war Massimo Trapano ein echtes Genie und hatte einige einträgliche
Patente auf seinen Namen laufen. Innerhalb der Organisation des Protektors nahm
er seit mehr als zwanzig Jahren eine besondere Vertrauensstellung ein. Ihn
interessierte nicht das Geld, das die Tätigkeit für die Organisation
einbrachte, er verdiente selbst gut durch seine Patente. Mit dem Protektor
verband Trapano viel mehr als profane materielle Interessen: Der gemeinsame
Kampf für eine edle Sache.
Trapano fluchte leise vor sich hin. Irgendetwas stimmte nicht,
aber er konnte nicht sagen, was. Dennoch war er überzeugt davon, wenn er dieses
Gefühl hatte, dem auch meist so war. Kein Laut drang aus der Wohnung des
Pfaffen und trotzdem vermeinte er schwache Schwingungen von seinen Wanzen
aufzufangen, eine kaum messbare elektronische Signatur, die laut seinen
Messgeräten eine vage Übereinstimmung mit der Signatur der Stimme des Pfaffen
aufwies. Er bastelte an verschiedenen Tasten und Reglern herum, stellte hier
etwas neu ein und schaltete dort einen Bildschirm hinzu, bis er mit der neuen
Konstellation zufrieden schien. Erneut umklammerte er den Kopfhörer mit seinen
riesigen Pranken und lauschte angestrengt. Innerlich verfluchte er zum wer weiß
wievielten Mal den neugierigen Köter, der die Besitzerin desselbigen alarmiert
hatte. Ein solches Vorkommnis bei einem Einsatz hatte Trapano nie zuvor erlebt.
Das wichtigste Merkmal seiner Branche war absolute Unsichtbarkeit. Er kam,
verrichtete seine Arbeit und ging. Zurückzuführen war das Dilemma auf das
überhebliche Verhalten seines jungen Kollegen, der den Auftrag
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