Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Sie war unschlüssig, wie sie sich verhalten
sollte und beschloss, auf die Contessa im Hausflur zu warten, als sie
vermeinte, Stimmen in der Wohnung zu hören. Hatte die Contessa Besuch? Aber
wieso war ihr der Hund dann nicht, wie üblich, entgegengesprungen? Plötzlich
glaubte Anna-Maria, den Grund hierfür zu kennen. „Oh Dio mio“, murmelte sie.
Sie oder ihr Besuch hatten die Wohnungstüre offen gelassen und Stellina war ihr
schon wieder entwischt. Sie musste sie unbedingt darüber informieren. Der Hund
war ihr Ein und Alles. Anna-Maria eilte den Flur entlang, lugte vorsichtig
nacheinander in den Empfangssalon, die Bibliothek und das Wohnzimmer und, als
sie nirgendwo auf jemanden traf, betrat sie schließlich zögerlich das
Allerheiligste, das Schlafzimmer ihrer Chefin. Sie hörte eine unbekannte
Frauenstimme im Badezimmer und näherte sich vorsichtig. Die Tür war weit
geöffnet und so war das erste, was Anna-Maria sah, ihre tote Herrin in der
Badewanne. Sie öffnete den Mund und schrie und schrie und schrie, während die
Hündin Stellina sie freudig kläffend umsprang.
Ohne große Eile betrat Commissario Grassa den Schauplatz des
neuerlichen Verbrechens. Seine Miene wirkte undurchdringlich, innerlich jedoch
jubelte er vor Genugtuung.
Der Fall wurde immer interessanter und entwickelte sich ganz nach
seinem Geschmack. Zunächst der Mord an dem Generaloberen der Jesuiten, für den
er sofort einen Verdächtigen, ebenfalls einen Jesuiten, präsentieren konnte. Nun
ein weiterer Mord, das Opfer ausgerechnet die Nachbarin des Verdächtigen. Ohne
Zweifel gab es hier eine Verbindung zum Mord an Bentivoglio. Das roch nach
einer raschen Aufklärung und sein Name würde erneut im Zusammenhang mit der
Lösung eines spektakulären Falles positiv in der Presse erscheinen.
Inspektor Corrado d´Amico, der soeben die Putzfrau Anna-Maria
Petrullo, die schluchzend in einem der plüschigen Sessel im Schlafzimmer saß,
befragt hatte, eilte auf seinen Vorgesetzten zu.
„Also Corrado, was haben wir hier?“, fragte Grassa ihn in
geschäftsmäßigem Ton, während sein Blick im Schlafzimmer umherwanderte und auf
Lucie, die mit einem Beamten vor dem Bett stand, haften blieb. Mit
hochgezogenen Augenbrauen registrierte er ihre knappe Aufmachung im Babydoll.
Lucie erwiderte seinen Blick mit einem gewissen Funkeln in den Augen, sich
ihrer aufreizenden Wirkung voll bewusst. Zu ihren Füßen saß ein kleiner Hund.
Währenddessen hatte der Inspektor mit seinem kurzen, nüchternen Bericht
begonnen.
„Wir haben eine Frauenleiche, ca. 60 Jahre. Identifiziert als
Contessa Monica di Montebello e Valleverde, Eigentümerin dieser Wohnung. Den ersten
Erkenntnissen nach wurde sie erwürgt und post mortem in die Badewanne gelegt.
Todeszeitpunkt: ungefähr gestern Abend, vermutlich noch vor Mitternacht.
Genaueres wie immer erst nach der Obduktion. Die Putzfrau, Anna-Maria Petrullo,
die Dame im Sessel dort, hat sie gefunden. Das heißt, das Ganze ist etwas
verwirrend. Eigentlich behauptet sie, es wäre schon vor ihr jemand im
Badezimmer gewesen. Sie steht unter Schock, ich habe bisher kaum ein klares
Wort aus ihr herausbekommen. Alarmiert wurden wir übrigens nicht von der
Putzfrau, sondern von Lucie von Stetten, der Schwester des Jesuiten, den wir
gestern in der Mangel hatten. Jetzt kommt´s, das wird Sie interessieren, Chef:
Der Priester scheint samt der kleinen rothaarigen Journalistin ausgeflogen zu
sein. Wie sie sehen, wartet die Schwester dort drüben. Ich dachte, sie wollten
vielleicht zuerst selbst mit ihr sprechen?“, schloss d´Amico seinen Lagebericht
mit einem anzüglichen Blick in Richtung Babydoll.
Grassa quittierte die unverschämte Anspielung seines Untergebenen
mit einem säuerlichen Blick, bevor er sich mit einem jäh in seinem Gesicht
angeknipsten Lächeln Lucie zuwandte. Mit ausgestreckten Armen eilte er auf sie
zu und ergriff mit beiden Händen ihre Rechte, um ihr einen Kuss auf den
Handrücken zu drücken. Lucie unterdrückte den Impuls, ihm ihre Hand zu
entziehen und schenkte ihm stattdessen ihr strahlendstes Fotomodelllächeln.
Denn Lucies von Rabea auferlegte Aufgabe lautete: Zeit gewinnen …
„Signorina von Stetten, ich bin entzückt, sie schon so bald wieder
zu sehen. Sie werden sicherlich verstehen, dass ich darauf brenne zu erfahren,
was Sie hier in der Wohnung des Opfers tun. Kommen Sie“, Commissario Grassa
fasste sie leicht, aber bestimmt an ihrem nackten Ellenbogen und führte sie aus
dem Zimmer. „Suchen wir
Weitere Kostenlose Bücher