Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
Gewicht der Entscheidung in ihre
Richtung neigte und beschwor ihn: „Du musst es uns sagen, Lukas. Nur so können
wir dir helfen.“
Lukas stieß einen Seufzer aus: „Also gut. Bentivoglio hat mir
erzählt, dass er als junger Jesuit in den Besitz brisanter Dokumente gelangte,
die unserem Orden 1773 in den Wirren des Verbots gestohlen worden waren.
Anstatt sie sofort seinem Vorgesetzten zu übereignen, hat er sie behalten und
zusammen mit einem Ordenskollegen studiert. Der wurde kurz darauf ermordet und
Bentivoglio bekam es mit der Angst zu tun. Seither hält er sie in einem
Schließfach außerhalb Roms versteckt. Er war zu krank, um die Dokumente selbst
zu holen, darum bat er mich, dies für ihn zu tun. Das ist alles. Ich sollte nur
den Boten für ihn spielen.“ Die geplante Einberufung der Generalkongregation
mit anschließender Pressekonferenz, behielt er für sich, dies betraf allein
interne Angelegenheiten seines Ordens. Er fing Rabeas zweifelnden Blick auf.
„Als junger Jesuit sagtest du? Dann muss er sie seit Jahrzehnten versteckt
haben.“
„Ziemlich genau
dreißig Jahre.“
„Und warum wollte er sie ausgerechnet jetzt zurückholen? Was sind
das für Dokumente? Hat er dir über deren Inhalt etwas erzählt, Lukas?“, bohrte Rabea
weiter.
„So gut wie gar nichts und auf das Wenige kann ich mir selbst kaum
einen Reim machen. Ich sagte doch schon, dass ich vorerst nur den Boten spielen
und erst hinterher mehr erfahren sollte.“ „Nun ja.“ Rabea interpretierte seine
unglückliche Miene richtig. Lukas hatte ihnen zwar nicht alles erzählt, aber
immerhin soviel, wie er mit seinem Bibelschwur hatte vereinen können.
Lukas zögerte nur kurz, dann griff er in die Brusttasche seines
Pyjamas und beförderte das Symbol des Dilemmas, den winzigen, goldfarbenen
Schlüssel, ans Tageslicht. Auf seiner offenen Handfläche bot er ihn den beiden
jungen Frauen dar.
Wie Verschwörer standen die drei dicht beieinander im Halbkreis
zusammen und starrten gebannt darauf. Selbst Lukas, der den Schlüssel bereits
seit mehr als zwölf Stunden mit sich herumtrug, blickte wie hypnotisiert
darauf, so als ob er sich nochmals davon überzeugen wollte, dass die
vergangenen Geschehnisse nicht seiner eigenen Phantasie entsprangen, sondern
tatsächlich in dem gegenständlichen Beweis dieses unscheinbaren Schlüssels ihre
Bestätigung fanden.
Eine merkwürdige Stimmung hatte von den dreien Besitz ergriffen
und alle ihre Sinne geschärft. Es war die Stunde, in der die Nacht erstarb und
einen neuen Tag gebar.
Unten in der via dei Coronari parkte seit dem späten Nachmittag
des Vortages ein weißer Kastenwagen der Marke Fiat Ducato - einer wie sie zu Zigtausenden
täglich in Rom zu finden waren. Vorne und hinten verbeult und mit Rostflecken
übersät, hatte der Wagen seine besten Jahre lange hinter sich. Sein unansehnliches
Aussehen war beabsichtigt und kam diesem für seine besondere Aufgabe zustatten,
verflüchtigte er sich dadurch umso mehr in die graue Zone der Nichtwahrnehmung;
Anonymität war das Anliegen seiner Insassen. Falls jemand dennoch geruhte dem
Wagen Aufmerksamkeit zu schenken, würde er auf beiden Seiten in riesigen
schwarzen Lettern lesen: „Lavanderia Luigi Rossi“, und diese unwichtige
Information sofort wieder aus seinem Gedächtnis zu streichen. Hätte aber jemand
die Möglichkeit gehabt, den Wagen von innen zu inspizieren, so hätte er sich doch
sehr gewundert. Statt Waschkörbe voll schmutziger Wäsche, wartete das Fahrzeug
mit der modernsten Ausrüstung an Rechnern, hochempfindlichen Abhörgeräten und
einer Phalanx an Bildschirmen auf, die man für Geld kaufen konnte; weder CIA
noch der israelische Geheimdienst Mossad konnten besser ausgerüstet sein.
Doch was nützt einem der ausgeklügelste Lauschangriff, wenn die
zugehörigen Resonanzträger - ordinär Wanzen - in der falschen Wohnung
installiert waren? Oder richtiger, die Personen, die man gerne belauscht hätte,
sich in der falschen Wohnung aufhielten? Die beiden Männer, deren klar
definierter Auftrag lautete, herauszufinden, worüber der Generalobere und von
Stetten gesprochen hatten, verpassten just in diesem Augenblick die Schilderung
der Ereignisse aus erster Hand, die den eigentlichen Grund für ihr
Vorhandensein quasi vor der Haustür darstellte.
Der jüngere döste in einem blitzsauberen Arbeitskittel auf dem
Beifahrersitz. Der Fahrersitz war leer. Passanten vermeinten deshalb einen
Lehrling zu gewahren, der geduldig auf seinen Chef
Weitere Kostenlose Bücher