Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
hatte, die
anderen Mieter zu observieren und grünes Licht zu geben, wenn die Luft rein und
Trapano sich in die Wohnung schleichen konnte, um dort seine diversen
Überwachungsgerätschaften anzubringen. Gabriel, der sich auch der Vollstrecker
nannte, hatte die Contessa mehrere Tage observiert und ihre festen Gewohnheiten
ausgekundschaftet. Als diese gestern Abend das Haus für ihre übliche letzte
Hundegassirunde pünktlich um halb zehn verließ, hatte er Trapano via Funk
grünes Licht gegeben. Aus irgendeinem Grund war die Contessa vor der Haustüre
nochmals umgekehrt und Gabriel hatte ihn nicht mehr rechtzeitig warnen können.
Hatte er jedenfalls behauptet. Trapano war da anderer Meinung, er glaubte eher,
dass Gabriel es absichtlich hatte darauf ankommen lassen, weil er Trapano nicht
leiden konnte. Denn was tat sein junger Kollege, um dieses angebliche Versehen
zu korrigieren? Er hatte nichts Besseres zu tun gehabt, als seinem Beinamen Vollstrecker
einmal mehr die Ehre zu erweisen: Er hatte vollstreckt. Und zwar die Contessa.
Trapano hatte zwar noch versucht, es zu verhindern - seiner Meinung nach hätten
es ein paar Fesseln und ein Knebel auch getan, jedoch hatte der Vollstrecker
nur einen Satz gebraucht, um seinen Widerstand zu brechen: „Sie hat uns beide
gesehen und kann uns identifizieren.“
Normalerweise hielt Trapano Abstand zu den kriminellen Subjekten
aus der Gefolgschaft des Protektors. Aber von diesem Auftrag hing zu viel ab,
womöglich standen sie kurz vor dem Durchbruch ihrer gemeinsamen Mission. Dem
Erfolg nahe, wollte der Protektor nichts dem Zufall überlassen und hatte ihm
den Vollstrecker zur Seite gestellt.
Außer seiner tiefsten Überzeugung, zu den Auserwählten zu gehören,
vermengten sich in Trapano akademische Arroganz und Vernarrtheit in die
eigenen, genialen Fähigkeiten. Eine höchst explosive Mischung, die bei ihm vor
langer Zeit zu einem enormen Realitätsverlust geführt hatte. Er würde sich
gegen jeden verwahren, der ihn als kriminell bezeichnet hätte, vielmehr sah er
auf gewöhnliche Kriminelle wie Gabriel mit Verachtung herab. Seine eigene
persönliche Definition von „kriminell“ setzte erst ein, wenn Personen durch
seine, Trapanos, Taten zu Schaden kämen. Da seine bisherigen Tätigkeiten sich
stets nur auf die In- und Deinstallation von Abhörgeräten, dem anschließenden
Abhören und Analysieren des Gehörten beschränkt hatten, war er, ergo, auch kein
Krimineller. Jedoch war sein Realitätsverlust noch nicht soweit fortgeschritten,
dass er sich nicht im Klaren darüber war, dass er gestern Abend eine Grenze
überschritten hatte. Ein Mensch war mehr als nur zu Schaden gekommen und er,
Trapano, hatte dabei gestanden und zugehört, wie die alte Frau verzweifelt um
ihr Leben gebettelt und vor Angst unter sich gemacht hatte, hatte gesehen, wie
ihre Augen hervorgequollen, ihr Gesicht blau angelaufen und die Glieder
erschlafft waren. Noch jetzt vermeinte er den gewaltigen Adrenalinstoß in
seinen Adern zu spüren. Nicht genug, war ihnen noch eine weitere Panne
unterlaufen. Während Trapano in der von Stetten Wohnung daranging, seine
Abhörgeräte anzubringen, wollte Gabriel sich „um den Hund kümmern.“ Beim
Versuch, dem verflixten Köter die Kehle durchzuschneiden, hatte das Vieh, das
kaum größer war als ein Wischmob, es tatsächlich geschafft, Gabriel in den
Finger zu beißen und ihnen zu entwischen. Das Mistvieh hatte die Nachbarschaft
zusammengebellt und sie hatten die Pfaffenwohnung übereilt verlassen müssen,
bevor Trapano auch nur die Hälfte der Wanzen und seine selbst entwickelte
Videoüberwachung, die kleinste Minikamera der Welt hatte anbringen können. Nur
das Telefon, das Wohnzimmer und das Schlafzimmer von Stettens verfügten nun
über ein Abhörgerät. Zum ersten Mal während seiner langjährigen Tätigkeit für
den Protektor hatte er seine Arbeit nicht richtig zu Ende führen können und
musste nun gänzlich ohne visuelle Übertragung auskommen. Wahrscheinlich war ihm
deshalb nicht ganz wohl in seiner Haut. Seine Armbanduhr zeigte kurz nach sechs
Uhr morgens an und er beschloss, sich selbst eine Mütze Schlaf zu gönnen. Er
kletterte nach vorne, übergab Gabriel die Kopfhörer und wies ihn an, ihn sofort
zu wecken, sobald sich die Bewohner bemerkbar machten.
Was Trapano nicht wissen konnte, selbst wenn ihnen die Contessa
nicht in die Quere gekommen wäre, der Inhalt des Gespräches wäre ihm trotzdem
entgangen: weil es ohne den Tod der Contessa
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