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Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)

Titel: Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanni Münzer
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strecken, was ihm seine langen Gelenke mit einem
vernehmlichen Knacken dankten.
    „Ungefähr noch 50 Kilometer bis Ancona, dann nochmals 30 Kilometer
auf der Superstrada, dann ein wenig Landstraße, eine gute Stunde noch, würde
ich sagen. Was soll ich dir holen? Capuccino und Cornetti?“
    „Ja, bitte, und zwei Schinken-Käse-Toasts, ich habe Hunger wie ein
Wolf“, schämte er sich nicht zuzugeben.
    „Okay. Bin gleich wieder da. Du kannst inzwischen aussteigen und
dir ein wenig die Beine vertreten, aber bleibe bitte in der Nähe des Wagens.“ Als
Rabea zehn Minuten später bepackt mit zwei Tüten zum Auto zurückkehrte, war von
dem jungen Mann weit und breit nichts zu sehen. Weder im, noch am Wagen.
Alarmiert drehte sich Rabea um die eigene Achse und suchte den gesamten
Parkplatz mit den Augen nach ihm ab. Nichts.
    Gerade als sich Rabeas Blutdruck formierte, durch die Decke zu
gehen, sah sie ihn aus Richtung der Toiletten heraneilen. Er wirkte
schuldbewusst und rief ihr schon von weitem entgegen: „Entschuldigung, es war
dringend.“
    Rabea verkniff sich einen Kommentar. „Los, steig schon ein, bevor
alles kalt wird.“
    „Hmm, mir läuft das Wasser im Mund zusammen“, gestand Lukas,
während er bereits gierig in den Tüten herumwühlte und zielsicher einen der
beiden gegrillten Käse-Schinken-Toasts hervorzog und sofort herzhaft
hineinbiss.
    Rabea beobachtete ihn heimlich von der Seite. Sie war immer wieder
von der animalischen Gier überrascht, mit der Lukas seinen Hunger stillte.
Dieselbe Gier und Leidenschaft hatte er während ihrer kurzen, stürmischen Liebe
an den Tag gelegt.
    Die Erinnerung daran rief bei Rabea eine Fülle an Empfindungen
hervor und erneut spürte sie Groll auf sich selbst. Während der drei Monate im
Gefängnis im Irak hatte sie genug Zeit gehabt, um über ihr Leben gründlich
nachzudenken. Aus falschem Stolz hatte sie nicht nur ihre Liebe, sondern auch
ihre Freundschaft zu Lukas zerstört. Seit damals wurde sie von ihrer Wut
angetrieben. Eigentlich war ihre elementare Wut sehr viel älter und saß auch
viel tiefer, ausgelöst durch die beiden Männer, die sie am meisten in dieser
Welt geliebt hatte. Ausgerechnet von jenen war sie um ihre Lebensträume
betrogen worden. Zuerst verwehrte ihr Großvater ihr einen Wunsch, an den sie
mit ihrer ganzen und reinen Kinderseele geglaubt hatte. Später war es dann
Lukas gewesen, der sie um ihre Liebe betrog, indem er das Priesteramt ihr
vorzog. Die Männer und ihre Religionen hatten ihr alles genommen und hinderten
sie daran, Frieden zu finden. Sie war eine von Wut angetriebene Feministin
geworden, die in ihrem Beruf keine Gefahren gescheut hatte, um aus
kriegsgebeutelten, islamistischen Ländern wie Afghanistan und dem Irak zu
berichten. Manchmal fragte sie sich, ob sie nicht  unbewusst dort sogar den Tod
suchte, sich insgeheim ausmalend, wie sehr ihr Großvater und Lukas dann leiden
würden. Sie wusste selbst, wie erbärmlich und ihrer unwürdig diese Gedanken
waren. Aber das Unterbewusstsein ist eine mächtige Waffe und richtet sich meist
gegen einen selbst. Deshalb hatte sie das Drama, das sich vor sechs Jahren in
München ereignet hatte, auch nie Lucie erzählt. Sie hatte es wissentlich
verursacht, um Lukas zu verletzen und sie ahnte, wie gründlich ihre Freundin
ihr darüber den Kopf gewaschen hätte. Nun war es zu spät. Jahre waren vergangen.
Lukas und sie hatten sich verändert, waren jeder für sich ein anderer Mensch
geworden. Lukas schien mit sich und seinem Leben zufrieden, von den letzten
aufregenden Stunden einmal abgesehen.
    Sie startete den Wagen: „Dann mal los. Bringen wir die Sache zu
Ende. Auf zur nächsten Etappe. Servietten findest du übrigens ganz unten in der
Tüte“, fügte sie hinzu, als sie sah, wie aus dem Cornetto, in das Lukas
gebissen hatte, ein dicker Batzen roter Marmelade auf seine Jeans tropfte.
    Wieder auf der Autobahn meinte sie: „ Wir hatten bisher keine Gelegenheit, darüber zu sprechen. Was
denkst du, was das für Dokumente sind, die Bentivoglio in seinem Schließfach
versteckt hat?“
    Von Stetten, der mit Spuke versuchte, den Marmeladenfleck von
seiner Jeans zu tilgen, hatte diese Frage bereits erwartet und wiegelte ab:
„Ich weiß es wirklich nicht, Rabea. Ich hatte dir doch schon gesagt, dass ich
nur den Boten für ihn spielen sollte.“ Seine eigenen Vermutungen behielt er
wohlweislich für sich. Dabei war ihm klar, dass Rabea längst Feuer gefangen
hatte.
    „Ich habe dich nicht gefragt,

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