Die Seelenfischer (Seelenfischer-Trilogie) (German Edition)
was du weißt, sondern was du
denkst“, kam es schnippisch zurück. „Aber wie du meinst, dann hör mir nur zu.
Ich habe mir meine eigenen Gedanken gemacht. Als Pater General muss Bentivoglio
Zugang zu einer ganzen Menge an Kirchengeheimnissen gehabt haben. Was kann so
schwerwiegend sein, dass er es persönlich weggesperrt hat? Er stand doch auf
der richtigen Seite, oder? Warum wurde er dann ermordet? Mich beschäftigen vor
allem die Fragen, die er dir gestellt hat. Nicht immer geben einem die
Antworten Aufschluss, Lukas. Oft sind es auch die Fragen. Ich glaube, er hat
dich nach deiner Dissertation gefragt, weil sie sich mit dem Ordensgründer
Loyola und den politischen Parallelen bei den jeweiligen Verboten des
Templerordens und der Jesuiten befasst. Ich denke, da gibt es einen
Zusammenhang.“
„Ach was, Rabea. Das ist mir zu abwegig und spekulativ“, lehnte
der junge Priester ihre Überlegungen verdächtig schnell ab. Rabea quittierte
dies mit einem kaum merklichen Hochziehen ihrer feinen Augenbrauen. Statt einer
Antwort, bat sie ihn um die Wasserflasche, und Lukas reichte sie ihr geöffnet
hinüber. Nach ihr nahm er selbst einen Schluck. In der Sekunde, als sich seine
Lippen um den Flaschenhals schlossen, durchzuckte ihn der Gedanke, dass Rabeas
Lippen diesen gerade erst berührt hatten. Um von seiner Verlegenheit
abzulenken, sprach er etwas zu hastig weiter: „Der einzige Grund, Rabea, warum
der Generalobere sich an mich gewandt hat, ist, dass ich der Neffe seines guten
Freundes Bischof Franz war.“
„Die Antwort habe ich befürchtet, Lukas. Du speist mich ab, weil
du nicht mit mir darüber reden möchtest. Dann hör mir einfach zu. Ich denke, es
könnte sich hier um kircheninterne Dokumente handeln, die den Beweis liefern,
warum der Orden der Templer 1307 und 1773 auch die Jesuiten verboten wurden.
Die Anschuldigungen gegen die beiden Orden ähnelten sich verblüffend und
lauteten auf Sodomie, Teufelsanbetung und Königsmord. Mord, Lukas . Bis heute ranken sich die wildesten Gerüchte und Spekulationen um
das Geheimnis eines Schatzes, den die Tempelritter in ihrem Besitz hatten und
den Papst Clemens, mit Hilfe des französischen Königs Alexander, unbedingt an
sich bringen wollte. Sie haben damals den angeblichen Schatz nicht gefunden.
Was wäre, wenn die Jesuiten ihn später gefunden und für sich behalten hätten?
Vielleicht kam ihnen der Vatikan auf die Schliche und das gleiche traurige
Spiel begann von neuem: Verbot, Verfolgung, Folter. Tod den Jesuiten.“
„Bitte, Rabea“, Lukas wirkte gequält. „Musst du immer alles gleich
derart sezieren und das Schlimmste hineininterpretieren? Ich gebe zu, dass die
Kirche in der Vergangenheit eine Reihe von misslichen Irrtümern begangen hat,
aber das heißt noch lange nicht, dass der Vatikan hinter den Morden stecken
muss“, antwortete von Stetten auf ihren unausgesprochenen Verdacht. Das Thema
war ihm unangenehm, aber insgeheim bewunderte er ihren Scharfsinn; genau
genommen bewegten sich seine Gedanken durch Bentivoglios Andeutungen in
ähnlichen Bahnen, doch war er nicht bereit, seine eigenen Vermutungen mit Rabea
zu teilen - nicht bevor er selbst einen Blick auf die Dokumente hatte werfen
können. Er war Jesuit, gehörte diesem Kirchenstaat an und hatte einen Eid des
Gehorsams gegenüber seinem Papst geschworen. Rabea hingegen war eine
Außenstehende, dazu eine entschiedene Gegnerin der Kirche und er hütete sich
davor, ihre Argumentation mit Munition zu laden.
„Sei nicht so empfindlich, Lukas“, ermahnte ausgerechnet sie ihn.
„Ich hätte auch noch einen ganz anderen Ansatz: Sprechen wir über das real
existierende Evangelium der Maria Magdalena, aus dem anerkannte
Religionswissenschaftler Fragmente rekonstruieren konnten. Was wäre, wenn sich
unter Bentivoglios Vermächtnis ein komplett erhaltenes Evangelium einer
Jüngerin Jesu befindet - Maria M. war bei weitem nicht die einzige -, welches
zum Beispiel vorbehaltlos definiert, dass Jesus jegliches hierarchisches Denken
ablehnte und Frauen den Männern im Leben und in der Kirche
gleichgestellt hat? Immerhin waren die ersten drei Jahrhunderte der frühchristlichen
Religion matriarchalisch geprägt - in den Katakomben unterhalb des Vatikans
zeugen Dutzende von Gräbern von christlichen Priesterinnen. Außerdem brauche
gerade ich dir nicht zu erzählen, wie nahe der Jude Jesus dem Gedankengut der
friedliebenden Gnostiker und späteren Katharer stand, die in den Frauen das lebensspendende
Prinzip
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