Die Seelenkriegerin - 3
er seine Soldaten in die Wüste hinausschicken können, um sein Reich zu vergrößern. Um all das hatte er zu Alwat gebetet, all das hatte ihm die Djira versprochen.
Man konnte von einem Kriegsgott nicht erwarten, dass er sich einen Rattenfurz um den Handel scherte. Oder um den Klatsch in der Stadt.
Dennoch kann beides ebenso mächtig sein wie das Schwert , dachte er nüchtern. Und beides kann ein Reich zu Fall bringen.
»Es tut mir leid«, murmelte Saroch.
»Nicht nötig. Ich bezahle Euch dafür, dass Ihr mir die Wahrheit berichtet.«
»Es gibt auch Gerüchte über finstere Kreaturen, die außer Sichtweite der Wachen die Stadt umkreisen. Ich bin nicht sicher, ob es tatsächlich jemanden gibt, der sie mit eigenen Augen gesehen hat, aber die Nomaden sind überzeugt, dass sie hier sind. Angeblich bringen sie die Krankheit mit.«
Nasaan schnürte es die Brust zusammen. »Geflügelte Kreaturen?«
»Ja.«
Er erinnerte sich an das Ungeheuer, das er in der Nacht vor der Eroberung auf dem Schlachtfeld gesehen hatte. Schwarze Schwingen, riesengroß und keinesfalls ein natürliches Lebewesen. Gab es da draußen noch mehr von dieser Sorte? Und wenn ja, in welchem Verhältnis standen sie zu seiner Djira ? Waren sie ihre Verbündeten? Ihre Diener? Oder etwas noch Schlimmeres? Mit einem Mal wurde ihm schmerzlich bewusst, wie sehr ihn die ganze Sache überforderte. Er hätte die Hilfe eines Priesters gebraucht, um Ordnung in das Durcheinander zu bringen. Aber es gab keinen Priester, dem er solche Dinge anvertraut hätte.
»Erzählen die Kaufleute von diesen Kreaturen?«
»Noch nicht. Nur die Nomaden.« Saroch zögerte. »Doch das wird sich ändern, wenn es noch lange so weitergeht. Und falls die Stämme in Panik geraten … wenn sie in Panik geraten …« Er ließ den Satz in vielsagendem Schweigen enden.
Dann bricht das Chaos aus , dachte Nasaan. Und es kann durchaus sein, dass die Götter den stürzen, der es bis vor ihre Tür getragen hat.
Er bemühte sich, den Sturm in seinem Inneren mit einem tiefen Atemzug zu beruhigen. Oder zumindest den Anschein zu erwecken, als hätte er ihn beruhigt. Dann nickte er steif. »Ich verstehe, Saroch. Vielen Dank. Ich schätze Euren Rat wie eh und je.«
Er nahm eine kleine Börse von seinem Gürtel und reichte sie dem Händler. Der schaute nicht hinein, wog sie aber kurz in der Hand und war offenbar mit dem Ergebnis zufrieden. »Es ist mir eine Ehre, einem so großzügigen Fürsten zu dienen«, sagte er und senkte respektvoll den Kopf.
Dann wandte er sich dem Eingang zu. Nasaan hörte, wie sich seine Schritte entfernten, und sagte: »Saroch.«
Die Schritte hielten inne.
»Die Seuche wird Bandezek verschonen.«
Eine Pause. »Das werden unsere Familien gerne hören, Hoheit.«
Die Schritte überquerten die Schwelle, und Nasaan blieb mit seinen Göttern allein zurück.
Kapitel 30
Die Karte bestand aus acht Teilen, und jeder Teil war mehrfach gefaltet. Selbst wenn man Steine auf die Ecken legte, war es nicht leicht, sie alle flach zu halten. Wie wenig Zauberei wäre nötig gewesen, um sie zu glätten? Oder die Teile zu einem Ganzen zu verbinden? Colivar mochte Salvator wegen seiner störrischen Weigerung, Zauberei zu akzeptieren, einst verachtet haben, doch seit der Geist eines Seelenfressers von innen an seiner eigenen Seele scharrte, sah er den Glauben der Büßer in einem etwas anderen Licht.
Gwynofar war mit einem von Farahs Marschällen, einem dunkelhäutigen jungen Mann, der ihnen als Kaht vorgestellt wurde, zu dem Treffen gekommen. Auch eine junge Frau namens Sina war anwesend, der man die Aufgabe übertragen hatte, die Seher mit den Hexern und Hexen der Büßer zu einer schlagkräftigen Truppe zu vereinigen. Alle sahen schweigend zu, wie Farah seine Papiere auslegte und versuchte, aus den hastig hingekritzelten Bildern sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen.
»Die Stadt ist für nördliche Verhältnisse klein«, erklärte Farah. »Das östliche Viertel wird vom Haus der Götter beherrscht – hier.« Er zeigte auf die Zeichnung eines runden Kuppelbaus. »Der Palast befindet sich im Zentrum – hier. Die Stadt ist von einer Mauer umgeben, außen massiver Stein, im Kern ausgeglühte Erde. Jeder Hexer und jede Hexe, die nach Jezalya kommen, wird gebeten, diese Mauer mit einem Zauber zu verstärken. Das geht seit zwanzig oder dreißig Generationen so, und deshalb glauben die Bewohner, dass schon die Götter selbst zuschlagen müssten, um ihnen Schaden zuzufügen. Womit sie
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