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Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition)

Titel: Die Seelenkriegerin: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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einer.
    Die Fäden legen sich in komplizierten Mustern um Tefilat, ein Netz der Macht wird geknüpft, das kein menschliches Auge sehen kann. Manchmal hält ein Faden Tefilats turbulenten Strömungen nicht stand, doch für jeden, der reißt, wächst ein anderer nach. So entsteht ein leuchtender Teppich der Macht, mit Mustern wie feinste Spitze, nach einer Vorlage, die hundert uralten Kulturen entstammt. Ein gelehrter Zauberer könnte einen Sinn in diese Muster hineinlesen, wenn er sie lange genug studierte, aber so ohne Weiteres ließen sie sich nicht deuten. Vielleicht fände er sogar heraus, was damit erreicht werden soll, wenn er sich eingehend genug damit beschäftigte. Und lange genug. Und wenn er sich auf nichts anderes konzentrierte …
    Schritte. Gleichmäßig, aber schnell. Kam Lazaroth zurück? Kamala musste sich sehr beherrschen, um nicht zu erschauern.
    Als die Tür aufging, flutete Licht in den Raum, es schien zugleich von allen Seiten zu kommen. Nach so vielen Stunden – vielleicht sogar Tagen? – in nahezu völliger Dunkelheit war sie geblendet. Sie kniff die Augen zusammen, konnte jedoch das Licht nicht ganz draußen halten. Feuerfunken tanzten hinter ihren Lidern.
    Sie zitterte, während sich die Schritte näherten. Hasste sich selbst für ihre Schwäche und dafür, dass sie sie zeigte. Aber die Erschöpfung hatte schließlich die Barrieren eingerissen, die der körperliche Missbrauch nicht hatte überwinden können. Sie hätte ihre Seele an einen Dämon verkauft, um sich hinlegen und schlafen zu können. Wenigstens eine Stunde.
    »Hm. Das wird ja zusehends interessanter.«
    Die Stimme war überraschend vertraut. Sie schlug die Augen auf, blinzelte ins Licht, bemühte sich, die Gestalt vor sich zu erkennen.
    Ramirus.
    Er war anders gekleidet, als sie ihn jemals zuvor gesehen hatte. Seine Jacke und die Kniehosen erinnerten an Colivars übliche Tracht. Der weiße Bart floss ihm nicht länger bis zur Taille, sondern war stark gestutzt und lenkte den Blick auf seine Augen, die von einem dunkleren Blau waren als sonst. Vielleicht kam ihr das auch nur so vor. Vielleicht waren Bart und Kleidung wie immer, und nur ihr fiebriges Gehirn kam mit der Wirklichkeit nicht mehr zurecht.
    Vielleicht war es auch gar nicht Ramirus.
    Er musterte sie von Kopf bis Fuß und begutachtete ihren Zustand in allen Einzelheiten mit dem unpersönlichen Interesse eines Arztes, bevor er seine Zauberkräfte beschwor und nach ihren Fesseln griff. Die Macht war ihm nicht sofort zu Willen, doch dann zerbrachen die Eisenschellen unter seinen Händen, und sie war frei. Ihre Beine knickten ein, und sie sank zu Boden wie eine Marionette, der man die Fäden durchschnitten hatte. Zunächst lag sie da wie betäubt und wusste kaum, wie ihr geschah. War es Wirklichkeit, oder war es ein Traum?
    Ramirus kauerte sich neben sie und betrachtete neugierig die Eisenstücke in seiner Hand. »Die sind nicht magisch. Wie konnten sie Euch halten?«
    Irgendwie fand sie ihre Stimme wieder. »Eine Droge. Kann nicht klar denken. Kann nicht beschwören.«
    »Aha. Raffiniert.« Er setzte sich auf seine Fersen zurück. »Nun, dem ist leicht abzuhelfen. Doch dazu müsst Ihr mir Eure Abwehr öffnen. Immer vorausgesetzt, es ist davon noch etwas übrig.«
    Sie erfasste erst mit einiger Verzögerung das volle Ausmaß dieses Ansinnens. Dann erschauerte sie. Wenn sie das zuließe, hätte sie keine Möglichkeit mehr, sich zu schützen. Alle Geheimnisse, die sie seit der Nacht ihrer Ersten Translatio so sorgsam gehütet hatte, lägen offen vor ihm.
    »Die Zeit ist knapp«, gab er zu bedenken. »Die Alternative lautet, ich gehe und überlasse Euch Eurem Schicksal. Ich würde es offen gestanden vorziehen, wenn Ihr im Vollbesitz Eurer Kräfte wäret, denn ich könnte etwas Hilfe gebrauchen, aber ich habe keine Zeit, das Kindermädchen zu spielen. Wie lautet also Eure Antwort?«
    Es kann nicht schlimmer sein als das, was Lazaroth mir angetan hat.
    Sie nickte.
    Sie spürte, wie seine Macht in sie eindrang, vorsichtig – respektvoll – und mit wachsender Zuversicht, als er tatsächlich nicht auf Widerstand stieß. Sie bemühte sich, die Erinnerungen an die jüngste Vergewaltigung so wegzusperren, dass sie unauffindbar wären, obwohl sie von vornherein wusste, dass sie sich die Mühe sparen konnte. Versuchen musste sie es trotzdem. Dann entzündete sich ein Feuer in ihren Adern, eine Zauberflamme auf der Suche nach einem ganz bestimmten Brennstoff, den sie verzehren sollte:

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