Die Seelenpest
bleibt.«
»Natürlich«, sagte Thomas, um irgendwas zu sagen. »Muss ich Sie bezahlen?«
»Das wäre sogar edel. Es geht darum, die beiden Kinder zu beobachten, ganz in Ihrem Sinne, oder nicht? Sie selbst sind außerstande, Ihr Gesinde ist zu dumm. Sie haben keine Wahl. Ich möchte helfen. Ich berichte Ihnen regelmäßig, das verspreche ich. Und bitte unterschätzen Sie mich nicht! Geld ist nicht nötig, mir reicht die Protektion der Ämter, die Sie innehaben.«
»Ich danke Ihnen.«
»Was heißt das?«, fragte Boggis.
»Dass ich Ihren Dienst mit Dank entgegennehme«, sagte Thomas nicht ganz widerwillig.
Boggis lächelte gekonnt. »Ich wusste es. Sie können sich auf mich verlassen. Darf ich dem König sagen, dass wir Freunde sind?«
»Wenn Sie es möchten.« Thomas war erstaunt. »Was hätten Sie davon?«
»Sie waren sein Erzieher, Sir.« Boggis erhob sich. »Ich lege sehr viel Wert darauf, dass meine Freunde adelsblütig sind. Ich will Sie jetzt nicht länger stören…«
Thomas stand mit ihm auf. Sie gaben sich die Hände. Als sie den Flur betraten, stand Margaret in der Küchentür und wurde rot. Thomas sah es und war sofort verärgert. Er schnaufte laut und folgte Aron Boggis bis zur Tür.
9. K APITEL ,
worin ein böser Mensch die stillste Rolle spielt
Am folgenden Tag ging Andrew nach dem Vormittagsunterricht nach Bridewell, futterte im Schlangenkeller Clatter und zog das leere Wägelchen über den Uferweg zur Brücke, die er überquerte, um in Bear Garden seine Arbeit zu beginnen.
Der Tierwart sah ihn mit der Karre kommen und meckerte herum. Andrew ging ihm aus dem Weg. Aber der Kerl verfolgte ihn. »Du hast doch nicht etwa irgendeinen Köter mitgenommen! Wenn ich dich je dabei erwische, bist du reif. Wir hatten einen, der hat die Viecher nachts geklaut und einem Dänen zugeschanzt, der sie zerlegt und eingelegt hat. Ein Schlachter in Weymouth hat später dieses Zeug verkauft, als Rindfleisch. Den haben sie gehängt.«
Andrew schüttelte den Kopf und ging an seine Arbeit.
Der Tierwart rief ihm hinterher: »Dann hatten wir noch einen, der hat das Hundefell verkauft, hier unter meinen Augen! Bestimmt hätte er sich auch das Bärenfell geschnappt, wenn ich ihm nicht die Ohren und seine Nase abgeschnitten hätte. Hast du verstanden…?«
A M SPÄTEN N ACHMITTAG traf Andrew Gregor Gascoigne in der Stadt.
Sie gingen zu den Stairs, wo Gregors Patenonkel sein Fährboot liegen hatte. Andrew hielt sich auf Distanz, ließ Greg vorausgehen und behielt ihn nur im Auge.
Der Fluss war voller Boote, die meisten davon waren kleine Ruderfähren. Jede Fähre hatte ihren festen Liegeplatz, bis zu einem Dutzend an den jeweiligen Stegen und Treppen, den Stairs.
Dort flatterten an hohen Galgen und Masten bunte Fahnen oder hingen Schilder, auf denen Füchse, Raben, Blüten, Flammen und zahllose andere Zeichen auf die jeweiligen Eigentümer und Betreiber verwiesen. Überall lagen Frachtbarken an den Kais, Kohlenschiffe, Flöße, kleine Koggen mit niedriger Takelage, die durch die Brückenbögen passten, Fischkutter und Tjalgen mit winzigen Kajüten, in denen die Steuermannsfamilien und Matrosen wohnten.
Vor einem roten Galgen mit schmalem Schild blieb Gregor stehen. Das Schild zeigte einen Schwanenkopf, der die Spitze eines Ritterhelms bildete, der wiederum einen hübsch gerollten Federschwanz hatte. Alles frisch und leuchtend bunt gemalt.
Gregor hockte sich in Ufernähe hin.
Andrew blieb hinter einem Schuppen in der Deckung. Er fror und hatte Hunger, was nicht sehr ungewöhnlich war. In der Küche des Konvikts hatte es vor kurzem einen Brand gegeben. Das Wasser, mit dem das Feuer gelöscht worden war, hatte die Vorräte verdorben; es fehlte nach wie vor an Geld, um neues Mehl zu kaufen, gar nicht zu reden von Gemüse, Pökelfleisch und Fisch. Seit Tagen gab es nichts als dunkles Brot mit einem Brei aus Kleie, wenig Mehl und etwas Hirseschrot. Dazu wurden manchmal ein paar Rüben gar gekocht oder ein Kessel Knochenbrühe angesetzt. An jedem dritten Tag gab es zum Abend Kutteln und Kaidaunen. Einige der älteren Studenten hatten sich beklagt und zum Dank Schläge und einen Tag Arrest erhalten.
Der Wind malte Figuren auf das Wasser, das in langen Wellen hinfloss wie die Zeit, wie das ganze Leben eigentlich.
Andrew fühlte sich in jüngster Zeit müde, als würde sich das Lebensrad für ihn schneller drehen als für andere. Er wusste nicht, warum. Am Morgen stand er auf und betete, aß, lernte,
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