die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
wusste zum ersten Mal zu schätzen, wie gut die Wände ihres Hauses die kleinen Kämpfe der Nacht zum Verstummen brachten.
In der Ferne durchschnitt ein Kreischen die Nacht, und Rhia schrie leise auf. Einen Laut des Unmuts ausstoßend, drehte Galen sich zu ihr um.
„Was war das?”, flüsterte sie. Er schnarchte zur Antwort. Sie widerstand dem Drang, dem Falken gegen den Kopf zu treten, um ihn zu wecken. Einige tiefe, reinigende Atemzüge später überlegte sie sich, welche Tiere ein solches Geräusch von p>sich geben konnten: Kreischeule, Rotfuchs? Beide zu klein, um sie zu fressen.
Nur um sicherzugehen, kroch sie an die fast verloschene Feuerstelle und stocherte darin herum, bis Flammen aufloderten, die fast ihr Gesicht berührten. Während sie sich die Hände wärmte, merkte sie, dass ihr Rücken unbedeckt war. Rhia sah über beide Schultern und entdeckte nichts als die ununterbrochene Schwärze des Findlings. Galens Gestalt war unsichtbar, denn er hatte sich von Kopf bis Fuß in dunkle wollene Decken gewickelt.
Rhia fasste nach ihrer eigenen Decke und wickelte sie um sich, während sie am Feuer saß. Krähen waren mutig, sie zeigten vor nichts Furcht, was nicht eine wahre Bedrohung darstellte. Wie viel mächtiger würde sie erst sein, wenn sie ihre dummen Ängste hinter sich ließ.
Die Kreatur kreischte erneut, und Rhia unterdrückte ein Schluchzen und schlüpfte zurück in den Schutz des Findlings. Sie legte sich hin und zwang sich, die Augen zu schließen. Die tanzenden Flammen warfen schreckliche Bilder auf die Hinterseiten ihrer Augenlider. Sie sprach ein Kindergebet an Schwan, den Geist ihres Vaters, um sich in einen traumlosen Schlaf zu wiegen. Erschöpfung nagte an ihrem Bewusstsein, und sie war gerade dabei, einzuschlafen, als ein Wolf in der Ferne zu heulen begann.
11. KAPITEL
R hia erwachte in einer silbernen Welt.
Während sie geschlafen hatte, hatte Regen die Bäume überzogen und war sofort gefroren, und jetzt trug jede Nadel ihren eigenen winzigen Eiszapfen, der im schwachen Morgenlicht glitzerte. Die Millionen Spiegel warfen einander ihr funkelndes Abbild entgegen und schufen ein atemberaubendes Panorama. Nicht eine einzige Oberfläche blieb vom Eis unberührt. Selbst die Baumstämme waren glatt überzogen.
Trocken, bis auf eine Ecke ihrer Decke, die am Boden festgefroren war, starrte Rhia diese faszinierende Welt von ihrem Lager unter dem vorstehenden Stein aus an. Ihre Muskeln schmerzten von der Kälte und der wachsamen Haltung, die sie die ganze Nacht über eingenommen hatte. Selbst die kleinste Dehnung brachte sie dazu, sich zu verkrampfen, also blieb sie bewegungslos und im Halbschlaf liegen und staunte über die Schönheit, die sie umgab. Perfekte Eisstürme wie dieser waren in ihrem ganzen Leben vielleicht ein halbes Dutzend Mal vorgekommen. Die aufgehende Sonne würde die eiskalte, zerbrechliche Pracht schon bald in ihren wässrigen Ursprung zurückversetzen.
Schnelle, leichte Schritte hinter dem Findling ließen Rhia aufhorchen. Sie hob den Kopf.
„Galen, seid Ihr es?”
Keine Antwort.
„Galen?”
Trotz Protests ihrer Muskeln setzte Rhia sich auf.
„Galen, habt Ihr gehört ...”
Er war verschwunden.
Nicht nur er, auch seine Decke, sein Sack, der Beutel mit Proviant, der vom Baum gehangen hatte – alles war verschwunden.
Rhia rappelte sich auf und rief wieder und wieder seinen Namen. Das Lagerfeuer war kaum noch mehr als ein dünner Faden Rauch, gelöscht durch das Eis. Sie drehte ihren steifen Hals in alle Richtungen und hoffte, Galen in der Ferne zu entdecken, vielleicht wie er Holz sammelte oder einsam betete.
Dort, wo er geschlafen hatte, lag ein kleines Bündel. Sie öffnete es und fand zwei Hosen und zwei Blusen, alles in ihrer Größe. Unter der Kleidung lag eine weitere Decke, eine Wasserhaut, ein Flintstein, eine kleine Schaufel, um Latrinen zu graben, und ein Paket getrocknetes Wild.
Die Nahrung, wurde ihr klar, war zum Brechen ihres Fastens gedacht.
In drei Tagen.
Und so fängt es an. Sie betrachtete ihre Umgebung, die nicht heilig oder außergewöhnlich aussah. Das einzig Ungewöhnliche war der Findling, der genau in der Mitte der Lichtung stand, als hätte ihn jemand benutzt, um Hof zu halten.
Wieder waren Schritte hinter ihr zu hören. Sie wirbelte herum, hob ihre Hände, um sich zu verteidigen, und sah ... nichts, nicht einmal eine Maus, die durch die dünne Schneekruste kroch.
Wieder war das Geräusch zu vernehmen, dieses Mal zu ihrer Rechten.
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