die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
wie das Ende der Welt erscheinen, und doch gibt es Orte, die noch weiter weg sind, und Kreaturen, die in deinen Augen noch seltsamer aussehen.”
„Die würde ich auch gern sehen.”
„Mit der Zeit vielleicht. Sie werden in deinen Träumen auftauchen, wenn du sie brauchst. Im Augenblick brauchen andere sie, Menschen, die in unserem Land leben.”
Rhia fühlte sich geehrt, dass diese Kreatur so weit gereist war, um sie zu treffen, auch wenn Zeit und Raum in der Welt p>der Geister nur wenig bedeuteten. Sie stand auf und verneigte sich. „Danke, dass du mir hilfst.”
„Es ist mir ein Vergnügen.”
Rhia wartete darauf, dass die große Kreatur begann, sie zu prüfen, wie die Schlange es getan hatte. Aber sie sagte nur: „Sprich!”
„Bitte?”, entgegnete Rhia.
„Du musst Fragen haben.”
Rhia erholte sich von ihrer Überraschung. „Wie nennt man dich?”
„Das Volk, bei dem ich lebe, nennt mich Twiga. Jene, die vor langer Zeit hier gelebt haben, nannten mich Giraffe, aber ich mag meinen heimischen Namen lieber.”
Rhias Gedanken rasten. „Moment. Das Volk, das vor langer Zeit hier gelebt hat... Woher kannten sie dich, wenn du so weit entfernt lebst?”
„Sie sind um die ganze Welt gereist und haben einige der Kreaturen hierher gebracht, um sie zu behalten.”
„Um sie zu essen? Oder zu reiten?”
„Um sie zu besitzen.” Twiga beziehungsweise Giraffe senkte bescheiden den Kopf. „Und zu bewundern.”
Diesen Impuls konnte Rhia verstehen, aber ihr Volk schien dazu nicht in der Lage zu sein. Andererseits ...
Es gab einige, die an das Wiedererwachen glaubten, den Augenblick in der fernen Vergangenheit, an dem die Geister ihr Volk ausgewählt hatten, um die Magie mit ihm zu teilen. Vor dem Wiedererwachen hatten die Menschen mit der Welt und ihren Kreaturen nicht in Harmonie gelebt, sondern hatten sich selbst an die Stelle der Götter gesetzt, genau wie die Nachfahren jetzt. Die Natur hatte sich gegen sie gewendet, und allein durch die Gnade der Geister hatte Rhias Volk überlebt.
Nur wenige Asermonier glaubten an diesen Mythos. Aber warum sollte Twiga Lügengeschichten erzählen? Auch wenn die Geister nicht offen logen, erzählten einige von ihnen nie die p>ganze Wahrheit – bis man ihnen die richtigen Fragen stellte.
„Wie ist es in deinem Land?”, wollte Rhia wissen.
Mit dem Kopf beschrieb Twiga einen großen Bogen. „Es ist viel trockener als dein Wald, und das Gras reicht mir bis zu den Knien. Es gibt nur wenige Bäume, außer um die Wasserlöcher, wo wir uns alle versammeln. Sogar unsere Feinde trinken mit uns, jene, die uns überall sonst fressen, denn Wasser ist das Kostbarste in unserem Leben.”
Rhia konnte sich nicht vorstellen, was groß genug wäre, um diese Kreatur zu fressen. „Wer sind deine Feinde?”
„Katzen, die fast doppelt so groß sind wie deine Pumas. Sie jagen unsere Jungen.” Twiga leckte mit der langen graublauen Zunge an einem Pinienzweig, biss aber nicht zu. „Möchtest du noch Fragen zu deiner Reise stellen, oder sollen wir den ganzen Tag über mich reden?”
Ein Schatten der Angst, die sie während der vergangenen Nacht durchgestanden hatte, befiel Rhia. „Was lauert in der Dunkelheit, hier im Wald?”
„Oh, alles Mögliche, nehme ich an. Eulen, Fledermäuse, Mäuse ...”
„Was ist letzte Nacht zu mir gekommen? Was wird heute Nacht wiederkommen?”
„Oh.” Twiga bewegte die Ohren vor und zurück. „Das kann ich dir nicht sagen. Frag mich was anderes, bitte. Ich möchte so gerne helfen.”
„Werde ich ... werde ich diese Tortur überleben?”
Die Kreatur blinzelte, ihre riesigen braunen Augen glänzten. „Natürlich.”
„Werde ich dich wiedersehen?”
Sie neigte den Kopf, sah Rhia fest an und atmete ihr warm auf die Stirn. „Wenn du mich brauchst, komm mich holen.”
Twiga verschwand so schnell, dass Rhia die Hand dorthin legte, wo sie gestanden hatte, nur um sicherzugehen, dass sie nicht vielleicht bloß unsichtbar geworden war. Seufzend gestand p>Rhia sich ein, dass sie gern weniger befangen gewesen wäre und gern mehr Fragen über das Wiedererwachen gestellt hätte.
Ein leises Surren drang an ihre Ohren. Sie drehte sich um und sah eine goldene Libelle, so groß wie ihr Finger, an einer Seite des Findlings schweben. Das Insekt zuckte vor und zurück, ließ sich dann mitten auf dem Stein nieder und senkte die schimmernden Flügel.
„Was siehst du?” Seine Stimme, weder männlich noch weiblich, klang außer Atem.
Jetzt war Rhia
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