die Seelenwächterin - Smith-Ready, J: Seelenwächterin
warmen Wange kalt an. Sie zog ihn aus, sah aber nichts. Der Mond spielt mit meinem Blick, dachte sie und blinzelte fest.
Dann erinnerte sie sich an Marek und versuchte, sich umzudrehen und ihn über ihre Unsichtbarkeit zu informieren. Aber sie wurde von etwas Schwerem über ihrer Taille und an ihrem Rücken festgehalten. War ein Ast auf sie gefallen? Hätte sie es -selbst im Schlaf – nicht bemerkt, wenn sie fast von einem toten Stück Baum erschlagen worden wäre?
Auf der Decke lag nichts, also griff sie darunter. Ihre Hand strich gegen Fell. Sie schrie auf.
Das Gewicht verlagerte sich sofort und zog die Decken mit sich fort.
„Was ist los?”, fragte Marek. „Ist etwas da draußen?” Er klang so erschöpft, wie sie sich fühlte.
„Etwas ist unter meine Decke gekrochen.” Sie setzte sich auf und tastete den Boden nach der Kreatur ab, die schon in den Wald verschwunden sein musste. Während sie es tat, tauchte ihre Hand wieder auf. Sie hielt sich den Arm vor das Gesicht und war froh, sie zu sehen.
„Hier ist kein Tier.” Er schnupperte. „Ich würde es hören oder wenigstens riechen.”
„Ich habe es gefühlt.” Wild fuchtelte sie mit den Händen herum und stieß dabei gegen den gleichen pelzigen Körper. „Da ist es wieder.”
„Das ist mein Arm.”
„Oh.” Sie hielt einen Augenblick länger fest und merkte dann, was geschehen war. „Oh.” Schnell ließ sie los.
„Du hast im Schlaf gezittert. Mir war auch kalt, also bin ich rübergerollt, um uns etwas zu wärmen.”
„Du hast mich unsichtbar gemacht.”
„Dann eben, um uns stark zu wärmen. Tut mir leid, wenn es dir unangenehm war.”
„Das nicht – nicht körperlich jedenfalls.”
„Gut.”
Einige Augenblicke saßen sie schweigend da. Rhia war jetzt, wo sie der Luft ausgesetzt war, bereits wieder kalt. Sie wünschte, sie hätte nicht geschrien.
„Wir sollten wohl wieder schlafen”, sagte Marek. Ihre Decke erschien. „Hier, die habe ich mitgenommen, als ich mich aufgesetzt habe.”
Sie legte sich auf den Rücken und hörte, wie er sich auf seinen ursprünglichen Platz, ein Stück von ihr entfernt, zurückzog. Sie versuchte, sich zu entspannen, um einschlafen zu können, aber die Kälte hinderte sie daran. Ihre Haut schien nach ihm zu lechzen – nach seiner Wärme, sagte sie sich, auch wenn sie wusste, dass das nicht die ganze Wahrheit war.
Ihre Zähne fingen wieder an zu klappern. Sie versuchte, ihren Mund zusammenzupressen, aber davon tat ihr der Kiefer weh, und sie fürchtete, sich auf die Zunge zu beißen. Seufzend kuschelte sie sich auf der Seite zusammen, auf der Marek lag, und versuchte, so viel von der eigenen Wärme wie möglich zu bewahren. Es funktionierte nicht.
„Bitte komm wieder her”, sagte sie, ohne zu wissen, wie sie ihn anders bitten sollte als geradeheraus.
Er zögerte. „Bist du sicher?”
„Sehr.”
Er rückte wieder näher. Seine Decke erschien und bedeckte ihre, und dann kroch er darunter, um sich ihr in ihrem Kokon anzuschließen. Sie lachte – vor Erleichterung, wegen der Wärme und weil sie nervös war.
„Viel besser.” Rhia schmiegte sich an ihn, den Kopf unter sein Kinn geschoben, und legte ihre kalten Hände auf seine Brust, die sie durch den dicken Mantel kaum fühlen konnte. Marek schlang ihr die Arme um den Rücken und zog sie näher an sich. Sie seufzte ein wenig zu laut.
„Ist das in Ordnung so?”, fragte er.
Sie nickte an seinem Schlüsselbein und versuchte zu ignorieren, wie gut ihre Körper zueinanderpassten. „Es sollte sich seltsam anfühlen”, dachte sie laut.
„Aber das tut es nicht.” Er zog ihnen die Decke über den Kopf, um eine warme Höhle zu schaffen, so dunkel, dass ihre Unsichtbarkeit nichts mehr ausmachte.
„Noch einmal gute Nacht”, sagte sie und hoffte dabei ein wenig, es würde nicht stimmen.
Marek antwortete nicht. Er hielt die Hände auf ihrem Rücken verkrampft, und sie fragte sich, ob er sie am liebsten von sich stoßen wollte. Roch sie schlecht? Wenn er Tiere aus der Ferne riechen konnte, wie würde dann ihr Geruch auf seine Nase wirken, mit kaum einer Handspanne Platz zwischen ihnen? Und was war mit ihren Gefühlen? Die Jagdhunde zu Hause konnten Angst riechen. Wölfe mussten einen doppelt so guten Geruchssinn haben.
Aber Angst war nur das geringste ihrer Gefühle. Zu wissen, dass sie nur ihr Kinn heben musste, damit ihre Lippen sich trap>fen, dass sie mit nur wenigen Bewegungen die Finger unter seinen Mantel gleiten lassen konnte –
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