Die Seelenzauberin - 2
Sie hatte den Finger behutsam abgelenkt. Hier gibt es nichts, was dich interessieren könnte , hatte sie ihn wissen lassen. Was immer du suchst, sieh dich anderswo um.
»Ich fühle mich durchaus imstande, nach Hause zu reiten «, beteuerte Rhys. Und er schien es tatsächlich versuchen zu wollen. Aber sie bezweifelte, dass er in seinem angeschlagenen Zustand sehr weit kommen würde. Warum waren Männer nur so verbohrt? Aus Stolz scheuten sie vor keiner Torheit zurück, nur um zu beweisen, dass sie keine Hilfe nötig hatten. Und je schwächer sie waren, desto wichtiger war ihnen dieses Spiel. Wer wollte die Seele eines Mannes verstehen?
»Du kannst es ja versuchen«, sagte sie ebenso eigensinnig. »Aber dann hole ich dich vom Pferd, um dich nach Hause zu schicken, und das kostet mich noch mehr Seelenfeuer. Ist es das, was du erreichen willst?«
Er biss die Zähne zusammen, schüttelte den Kopf und schien seinen Widerstand fortsetzen zu wollen, doch dann gab er sich mit einem Seufzer geschlagen. Mit ihr zu streiten, das erforderte Energie, und davon konnte er gerade nicht viel entbehren. »Was brauchst du von mir?«
»Wo willst du hin?«
»Nach Hause.« Er flüsterte nur. »Um meinen Bericht abzuliefern. Das ist doch meine Pflicht, nicht wahr? Und die Pflicht ist das Wichtigste im Leben eines Heiligen Hüters.«
»Wie viel willst du ihnen erzählen?« Diese Frage musste sie einfach stellen.
»Ich weiß es noch nicht.« Sein Blick war düster und leer. »Ist ihnen mit der Wahrheit wirklich gedient? Mit der Offenbarung, dass ihr Erbe eine einzige Fälschung ist? Dass das heldenhafte Opfer ihrer Vorfahren in Wirklichkeit eine abscheuliche Gräueltat war? Wie sollen sie danach noch gegen die Seelenfresser kämpfen? Woher sollen sie die Kraft dafür nehmen?« Er seufzte schwer. »Ich werde es wohl erst wissen, wenn die Worte aus meinem Mund kommen.«
»Es tut mir leid.« Sie flüsterte nur. »Ich wünschte, ich könnte dir helfen.«
»Du hast schon mehr getan, als ich jemals von dir verlangt hätte, das weißt du.«
Sie war nicht an Dankbarkeit gewöhnt; es verursachte ihr Unbehagen. »Ich brauche etwas, das dich mit deinem Ziel verbindet, da ich nie dort gewesen bin. Irgendeinen Gegenstand, damit ich den Zauber an diesem Ende festmachen kann.«
»Anukyats Männer haben mir alles genommen. Ich habe nichts mehr, was aus dem Versammlungshaus stammt. Heißt das, du kannst mich nicht dorthin versetzen?«
»Wahrscheinlich nicht. Tut mir leid.«
Er fluchte leise und tastete seine Kleidung ab, als wüsste er nicht mehr genau, was er noch am Leibe trug. Als er dabei mit einer Hand seine Brust berührte, spürte er etwas unter dem blutbefleckten Stoff. Hastig fasste er unter das Hemd und zog an einer Lederschnur einen kleinen Stein heraus. Er umfasste ihn mit der Hand und schloss die Augen; offensichtlich hingen Erinnerungen daran. Dann nahm er ihn ab und reichte ihn ihr. »Kannst du das verwenden?«
Der Anhänger war ein kleiner Flusskiesel mit einem natürlichen Loch in der Mitte. Anukyats Männer hatten ihn wohl nicht für wichtig genug gehalten, um ihn zu stehlen. »Was hat es damit auf sich?«
»Den hat mir Gwyn vor Jahren geschenkt. Als Glücksbringer.« Er lachte verbittert. »Wie du siehst, war die Wirkung nicht allzu überzeugend.«
»Wo fand das statt?«
»In Keirdwyn. In der Burg des Erzprotektors.«
»Dann könnte der Stein uns dorthin bringen.« Sie drehte ihn in der Hand hin und her und überlegte. Das unscheinbare Ding hatte keine natürlichen Kräfte, aber viele Leute schrieben solchen Formationen eine glückbringende Wirkung zu. »Oder es könnte uns an den Ort versetzen, an dem sie sich gerade aufhält.«
»Beides wäre mir recht«, sagte er leise.
»Wir müssen die Pferde zurücklassen.« Ein Zauberer hätte die Tiere ohne große Mühe mitbefördern können, aber eine echte Hexe hätte niemals so viel Lebensenergie vergeudet.
Diesmal widersprach er nicht, sondern nickte. »Es gibt hier gute Weidegründe, und mit etwas Glück finden sie mit der Zeit nach Hause zurück. Vielleicht bleiben sie auch lieber in Freiheit, ohne menschliche Herren.«
Er hinkte zu den Pferden hinüber und nahm ihnen das restliche Zaumzeug ab. Sie sah ihn einmal zusammenzucken, als er dazu seinen verletzten Arm zu weit nach oben strecken musste, aber er bat sie nicht um Hilfe. Der Stolz der Männer.
»Rhys, lass mich deine Wunden versorgen.«
Er schüttelte den Kopf. »Das können die Heiler tun, wenn wir wieder zu
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