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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Menschen mit solch seltenen und empfindlichen Kräften dem Einfluss des Heiligen Zorns auszusetzen.
    Nach einer Weile glitt die Seherin offenbar in den nächsten Albtraum, sie wurde unruhig und wälzte sich hin und her. Der Heilige Zorn konnte seine Bosheit direkt in ihr Gehirn ergießen, da ihr die mentalen Schranken fehlten, die die meisten Menschen ganz selbstverständlich aufrichteten, und so war es fast schon ein Wunder, dass sie überhaupt einmal aufwachte.
    Nun riss sie jäh die Augen auf und starrte zunächst nur blind und verständnislos zur Decke. Dann drehte sie den Kopf und sah Anukyat eindringlich an. Oder schaute sie durch ihn hindurch?
    »Totes Fleisch«, stieß sie heiser hervor. »Totes Fleisch, ohne Form. Hätte mit den anderen flüchten sollen! Hätte weglaufen sollen! Seht nur, sogar die Maden haben Angst …«
    »Zauberei«, soufflierte er. Sie war nicht so weit bei Verstand, dass sie ausdrückliche Befehle hätte verstehen oder gar befolgen können, aber manchmal ließ sie sich in die gewünschte Richtung schieben. »Was hat es mit der Zauberei auf sich?«
    Sie schloss die Augen und erschauerte heftig. »Kalt. So kalt. Ihre Energie ist der Tod. Von ferne gestohlen. Der Tod eines Fremden. Seht Ihr es nicht? Schwärzer als Tinte. Kälter als Eis. So dicht an der Zitadelle. Wird man es bemerken? Niemand sucht hier nach Zauberei.«
    Plötzlich ging ein Krampf durch ihren Körper, dann lag sie still und hechelte wie ein Hund. Anukyat wartete noch ein wenig, ob sie ihre Beschreibung fortsetzte, und als das nicht geschah, berührte er ihre Wange. Ihr Körper bäumte sich auf, als sie – sichtlich unter Qualen – wieder ins Bewusstsein zurückgerissen wurde.
    »Wo?«, wollte Anukyat wissen. »Wo war die Zauberei?«
    Zunächst schien sie ihn nicht zu hören. Doch gerade als er die Frage wiederholen wollte, flüsterte sie: »Die untergehende Sonne, die untergehende Sonne! Im Schatten der kleinsten Schwester. Sucht nach dem Blut auf der Erde! Die Fliegen fressen nicht davon, sie haben Angst. Zurück, zurück! Jetzt können wir töten. Jetzt sind wir stark.«
    Anukyat überlief es eiskalt, als er das Gestammel hörte. Doch sosehr er sie danach durch Berührungen oder Worte zu stimulieren suchte, er konnte ihr keine weiteren Einzelheiten entlocken, sie wiederholte nur unablässig die gleichen rätselhaften Phrasen.
    Irgendwann erhob er sich. »Schreib alles mit, was sie sagt«, befahl er der Zofe mit finsterer Miene. »Und ruf mich sofort, wenn es etwas Neues gibt.«
    Dann ließ er sie bei der Seherin zurück. Es war kein angenehmer Dienst, aber sie wurde gut dafür bezahlt.
    In seinem Einflussbereich übte also jemand Zauberei aus!
    Thelas, der Königliche Magister, hatte ihm versichert, das sei unmöglich. Weder Hexen noch Zauberer könnten in Reichweite des Heiligen Zorns irgendeine Art von Macht beschwören. Schon bevor die Barriere ins Wanken geraten war, hätten die Heiligen Hüter vor jeder Annäherung eine ganze Phalanx von Magiern aus beiden Lagern benötigt, um sie mithilfe uralter Rituale zu zähmen. Nun sei auch das nicht mehr möglich. Demzufolge spiele es keine Rolle, wenn Anukyat ohne magischen Schutz sei, denn niemand könne einen magischen Angriff gegen ihn führen. Er brauche sich keine Sorgen zu machen.
    Ha! Anukyat hatte dieser Einschätzung nie so recht getraut. Deshalb hatte er die Seher angewiesen, ihm jemanden aus ihren Reihen zur Verfügung zu stellen, obwohl das natürlich mit Risiken verbunden war, und sie hatten ihm, wenn auch widerwillig, gehorcht. Diese Seherin war vor fast einem Jahr zu ihm gekommen, eine junge Frau mit Sternen in den Augen, die bereit war, sich der albtraumhaften Macht des Heiligen Zorns zu stellen, um der Sache der Heiligen Hüter zu dienen.
    Sie wusste noch immer nicht, dass es sich dabei um eine ungerechte Sache handelte und dass diese Sache verraten worden war, während sie schlief. Sie wusste nicht, dass man, um den Kannoket zu ihrem Recht zu verhelfen, zunächst ihren vermeintlichen Verbündeten klarmachen musste, welchen Preis ihre einstigen Treuebrüche hatten, um dann sicherzustellen, dass es nie mehr dazu kommen konnte. Sie wusste nicht, dass alle Albträume, die sie ertrug, alle Visionen, die in ihr zusammenströmten, Teil dieser Aufgabe waren.
    Wo also war die Quelle dieser geheimnisvollen Zauberkräfte? Und was suchten sie zu erreichen? Anukyat konnte sich nicht vorstellen, dass ein Magister aus freien Stücken diese Region betrat; sogar

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