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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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Körper gebaut, nicht für ihre schmale Gestalt, aber ihre innere Größe gestattete ihr, den Platz auszufüllen. Auch Dantons Krone schien, von außen gesehen, gut auf ihr Haupt zu passen, doch in Wirklichkeit hatte man sie innen mit einem Band auspolstern müssen. Bei dieser Zeremonie konnte sie nicht ihre eigene Krone tragen.
    Für kurze Zeit war sie nun ohne Frage die mächtigste Person auf dem ganzen Kontinent. Großkönigin und Erbin des größten Reiches der letzten Jahrhunderte. Die Tradition mochte erfordern, dass einer von Dantons männlichen Nachkommen den Thron des Vaters übernähme, aber in der kurzen Spanne, bis der Wechsel vollzogen war, hatte sie das Anrecht darauf. Eine berauschende Vorstellung.
    Stille trat ein, alle hielten erwartungsvoll den Atem an, und wieder regte sich etwas am hinteren Eingang. Diesmal ertönte keine Fanfare. Dreizehn Mönche in langen braunen Kutten kamen durch den Mittelgang, zwei Sechserreihen nebeneinander und eine einzelne, hochgewachsene Gestalt an der Spitze. Grobe Hanfsandalen, brauner Wollstoff, der über den Boden streifte, tiefe Kapuzen, die die Gesichter in Schatten hüllten und damit unkenntlich machten. Vor dem Podest blieben die zwölf stehen, der Mann an der Spitze ging, ähnlich wie an dem Tag, als Salvator vor Dantons Palast eingetroffen war, ein paar Schritte weiter, um sich von ihnen abzusetzen.
    Gwynofar erhob sich. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Solche Zeremonien waren ihr immer schon nahegegangen, und diesmal war es nicht anders.
    Sie blickte in das überschattete Antlitz unter der Kapuze und sprach so laut, dass alle Anwesenden es hören konnten: »Wer tritt hier vor mich hin, um den Thron des Großkönigs zu fordern?«
    Die Gestalt hob langsam die Hände und streifte sich die Kapuze vom Kopf. Da viele der Versammelten Dantons zweiten Sohn nie leibhaftig gesehen hatten, ging nun ein Raunen durch das Zelt, und alle reckten die Köpfe, um einen Blick auf ihn zu erhaschen. »Ich bin Salvator Aurelius«, sagte der Mönch, »der älteste noch lebende Sohn des Danton Aurelius und der rechtmäßige Erbe seines Reiches.«
    Das zweite Podest erlaubte es Gwynofar, auf Augenhöhe mit ihm zu sprechen. In ihren Zügen stand keine Wärme, keine Spur von Zuneigung, nur kalte, höfische Würde.
    »Ihr seid der Sohn eines Königs«, erklärte sie, »aber Ihr tragt die Tracht eines anderen Standes. Kein Mensch kann zwei Bestimmungen auf einmal folgen.« Sie verschränkte streng die Arme vor der Brust. »Es ist an der Zeit, Euren Weg zu wählen, Salvator Aurelius.«
    Anstelle einer Antwort fasste er sich an den Kragen und löste die Bänder, die ihn zusammenhielten. Zwei Diener eilten herbei, stellten sich zu beiden Seiten von ihm auf und hoben das weite Mönchsgewand, als es vorne auseinanderfiel, über seine Schultern, bis er herausschlüpfen konnte; ein dritter nahm ihm die Kapuze ab.
    Unter der braunen Wollkutte trug Salvator ein langes, weißes Gewand von schlichtem, strengem Schnitt. Vor der pfauenhaften Buntheit der Höflinge schien das reine Weiß förmlich zu erstrahlen und zog alle Blicke auf sich. Außer einem einfachen, ebenfalls weißen Ledergürtel, auf dessen Schnalle in Gold der Aurelius-Habicht prangte, hatte er keinen Schmuck angelegt.
    Salvator wandte sich von Gwynofar weg – und seinem Publikum zu –, nahm den Dienern die abgelegten Gewänder ab und faltete sie ehrerbietig zusammen, um sie den Mönchen zu übergeben.
    »Sagt euren Brüdern, der Priester, den sie als Pater Konstanz kannten, habe die Herde verlassen und weile fortan nicht mehr unter ihnen. Die Mönchsgelübde, die er einst vor euch abgelegt hatte, werden heute durch das Gelöbnis eines Prinzen ersetzt, der sich in den Dienst seiner Untertanen stellt.«
    Die beiden Brüder, die ihm am nächsten standen, senkten ehrfurchtsvoll die Köpfe und nahmen die abgelegte Kutte entgegen. Dann machte die kleine Gruppe wie auf ein Stichwort kehrt und verließ das Zelt ebenso schweigend, wie sie gekommen war.
    Salvator wandte sich wieder seiner Mutter zu. Sosehr sie sich auch bemühte, keine Regung zu zeigen, es gelang ihr doch nicht, den Stolz in ihren Augen völlig zu verbergen.
    Sie hob beide Hände, nahm sich Dantons Krone vom Kopf und entfernte dabei unbemerkt das Band an der Innenseite. »So nimm denn hin die Krone des Danton Aurelius und empfange mit ihr die Last der Herrschaft.«
    »In diesem Sinne will ich sie tragen«, antwortete Salvator. Und da Gwynofar eine Stufe über ihm stand,

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