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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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gelegt worden und dann haften geblieben. Vielleicht waren es auch gar keine echten Menschen, dachte er, sondern eine Mischung aus Mensch und Gott, und die blau-schwarzen Hüllen waren gar keine Kleidung, sondern tatsächlich so etwas wie eine zweite Haut. Vielleicht entwickelten sich die Mischwesen mit der Zeit auch ganz und gar zu Göttern. Oder aber sie waren die Krüppel ihrer Art, die Fehlschläge, die den voll Verwandelten zu dienen hatten und dafür an der Wärme ihrer Höhlen teilhaben durften, denen aber niemals eigene Schwingen wuchsen. Unzählige Möglichkeiten schossen ihm durch den Kopf, zu schrecklich und wundersam zugleich, als dass er sie hätte fassen können.
    Willst du wirklich so werden? , flüsterte eine innere Stimme. Bist du ganz sicher?
    Er dachte an sein Dorf, das gegen die dämonischen Zwillinge Kälte und Finsternis kämpfte und stets so dicht davor stand, die Schlacht zu verlieren. An die jungen Mädchen, die verstümmelt wurden, um dann geopfert zu werden. An den Schwarzen Schlaf, der manchmal über das Dorf kam, jene schreckliche Schwäche, bei der die Dorfbewohner bewusstlos vor sich hin dämmerten und sich zu nichts mehr aufraffen konnten, während das Getreide ungeerntet auf dem Halm verfaulte und die Herdentiere dahinsiechten. Und wenn die Lange Nacht kam, starben die Menschen wie die Fliegen, weil sie keine Nahrungsvorräte angelegt hatten, und dann herrschte der Tod über das Land.
    Mit wild pochendem Herzen rappelte der Junge sich auf. Was immer das für Wesen sein mochten, er durfte in ihrer Gegenwart auf keinen Fall Schwäche zeigen. »Ich bin gekommen, um den Göttern zu dienen«, erklärte er. Und fügte, während sein Herz wie Donner dröhnte, hinzu: »So wie ihr.«
    Für einen Moment herrschte Stille. Dann warf ein untersetzter Mann mit langem rotem Haar und einem Brustharnisch aus groben Götterhautflicken den Kopf zurück und lachte schallend. »Du willst dich uns anschließen ?« Er klatschte sich auf die Schenkel. » Uns? «
    Heiß schoss dem Jungen die Schamröte in die Wangen. »Ja.«
    »Er ist ehrgeizig«, urteilte der Dunkelhäutige. Seine Augen leuchteten wie frisch gefallener Schnee in dem unheimlich schwarzen Gesicht. »Und er hat Mut.«
    Ein kräftiger Kahlkopf spuckte verächtlich auf den Boden. »Ein Balg aus dem Eisland. Kennt von der Welt nur die Mythen, die wir seinen Priestern schenkten … und du weißt selbst, was die wert sind. Er ist wie ein Schaf, das sich mitten unter die Wölfe stellt und blökt, es wolle sein wie sie.«
    »Auch wir waren einmal solche Schafe«, sagte ein anderer ruhig. Ein hochgewachsener Mann mit olivbrauner Haut, sein langes schwarzes Haar war glatt und glänzte wie nasses Robbenfell. »Oder hast du das vergessen?«
    »Jetzt sind wir mehr als das«, knurrte der Kahlkopf.
    »Wirklich?« Nur eine leise Frage, aber der Junge spürte die Herausforderung dahinter. »Sind wir das wirklich?«
    Irgendwo in dem einzigen Winkel seines Bewusstseins, der nicht vor Angst zu Eis erstarrt war, fiel dem Jungen plötzlich auf, dass sich die Männer gleichmäßig um ihn verteilt hatten und jeder sehr darauf achtete, einen gewissen Abstand einzuhalten. Sobald einer zu dicht an einen anderen heranrückte, verscheuchte ihn dieser mit leisem Knurren, und der Eindringling wich rasch zurück. Was würde geschehen, wenn er es nicht täte? Würden sie einander anbrüllen wie die Götter unten am See? Kämpfen wie Tiere, bis einer besiegt oder gar vernichtet wäre?
    »Wie heißt du, Junge?« Der Schwarze hatte die Frage gestellt.
    Der Junge richtete sich hoch auf. Die Wärme vom Boden war ihm nun doch bis in die Knochen gedrungen, sodass er wenigstens nicht mehr vor Kälte zitterte. Sie mussten dem vergrabenen Sonnenstück sehr nahe sein, wenn die Höhle so warm war. »Nyuku«, sagte er. »Ich heiße Nyuku.«
    »Na, so was, das Futter hat sogar einen Namen.« Der Kahlkopf schnaubte verächtlich. »Bist du jetzt zufrieden?«
    »Wir brauchen frisches Blut«, sagte ein Mann, dessen Haar und Haut so hell waren wie das Mondlicht. Wenn er sprach, sah Nyuku auf seinen Wangen blaue Adern pulsieren. »Das wisst ihr doch alle.«
    »Der Junge hat nicht mehr Kraft als ein Schaf.« Dieser Sprecher hatte rotes Haar, leuchtend rot wie der Himmel bei Sonnenuntergang. »Der taugt nur für die Kochgrube.«
    »Wir haben ein Gelege kurz vor der ersten Paarungsreife.« Das kam von einem untersetzten, bärtigen Mann, dessen breites Gesicht Nyuku an seine Landsleute erinnerte. Er

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