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Die Seelenzauberin - 2

Die Seelenzauberin - 2

Titel: Die Seelenzauberin - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Celia Friedman
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seinen Augen nicht sehen.
    »Siehst du, Rhys nas Keirdwyn? Ich habe dich davor gewarnt, mich zu belügen.«
    Er wollte seine Empörung hinausschreien, wollte diesen Mann vor allen Göttern des Nordens verfluchen – wie konnte er es wagen, einen Hüter des Heiligen Zorns wie einen gewöhnlichen Verbrecher zu behandeln! Er wollte …
    Plötzlich wurde ihm klar, was er eben gehört hatte.
    Erschüttert schaute er auf. Der Inquisitor hielt in einer Hand eine offene Ledermappe und blätterte langsam die Blätter durch, die sie enthielt. Favias’ Karten. »Du hast alle deine Notizen signiert und mit Datum versehen. Wie es sich für einen gut ausgebildeten Hüter gehört. Dein Meister wäre stolz auf dich.« Er schloss die Mappe. »Du bist also der Sohn eines Erzprotektors, aber er hat dich nicht öffentlich anerkannt. Sehr interessant.«
    Es gab nichts zu sagen, was seine Lage verbessert hätte, also schwieg er.
    »Damit wärst du Halb- Lyr , nicht wahr? Von den Göttern mit besonderen Gaben gesegnet. Was immer man darunter verstehen mag.«
    Rhys holte tief Atem und zwang sich zur Ruhe. »Wenn Ihr wisst, dass ich Lyr bin, dann wisst Ihr auch, warum man mich hierhergeschickt hat. Wenn einer der Speere beschädigt ist, braucht Ihr Hilfe, um ihn wieder heil zu machen …«
    Der Mann schleuderte die Kartenmappe zu Boden und brachte ihn damit zum Schweigen.
    »Begreifst du denn wirklich nicht?« Er ging in die Knie, bis er Rhys auf gleicher Höhe in die Augen schauen konnte. » Es gibt keine Götter «, zischte er hasserfüllt. »Alles, was man dich über sie gelehrt hat, sind Lügen . Alle Aufträge, die du in ihrem Namen ausgeführt hast, waren nur Schein. Sinnlos. Der Heilige Zorn ist Menschenwerk, nichts sonst, und wenn du wüsstest, woher er seine Macht bezieht, würdest du jede Lektion, die man dir einst in die Kehle gestopft hat, wieder auswürgen. Ein ganzes Leben voller Lügen.« Er richtete sich wieder auf; seine Miene war finster. »Die Götter – wenn es sie denn gäbe – würden ohne Zweifel über unsere Leichtgläubigkeit lachen.«
    Er ist wahnsinnig , dachte Rhys. Er sah die anderen Männer an. Die hatten dem Ausbruch ungerührt zugehört. Sie sind alle dem Wahnsinn verfallen. Wahrscheinlich hatte ihnen der Heilige Zorn den Verstand geraubt. Die Hüter wussten, wie sie der Macht des uralten Fluches widerstehen konnten, aber außerhalb ihrer Kaste gab es nur wenige, die dazu imstande waren. Wer lange genug unter dem Einfluss der verderblichen Magie des Zorns stand, der glaubte an die verrücktesten Dinge – auch an schwarze Phantasien, wie dieser Mann sie eben beschrieben hatte.
    »Bitte«, sagte er. Bemühte sich, mit ruhiger Stimme zu sprechen, nicht den leisesten Hauch von Feindseligkeit mitschwingen zu lassen. »Ich möchte mit Eurem Obersten Hüter reden. Gebt ihm meine Bücher, lasst ihn meine Notizen lesen, erlaubt mir, ihm zu erklären, warum ich hierher entsandt wurde. Er kennt unsere Bräuche und unsere Ziele. Er wird wissen, wie er mich zu beurteilen hat.«
    Der Inquisitor trat zurück. Seine schwarzen Augen wurden schmal. »Weißt du denn nicht, wer ich bin, Rhys nas Keirdwyn? Hast du keine Ahnung, wo du bist?«
    Rhys zögerte, dann schüttelte er den Kopf.
    »Ich bin Anukyat«, verkündete der Mann. »Oberster Hüter des Protektorats Alkal. Jetzt weißt du Bescheid.«
    Rhys machte den Mund auf, brachte aber kein Wort heraus. Der Raum begann sich um ihn zu drehen.
    »Bringt ihn zurück«, befahl Anukyat den Männern, die hinter ihm standen. »Sperrt ihn ein. Vielleicht können wir ihn – oder zumindest sein Lyr -Blut – noch gebrauchen … die Götter haben schließlich keine Verwendung mehr für ihn.«
    Die beiden Alkal-Hüter packten Rhys abermals bei den Armen und schleppten ihn aus dem Saal.

    »Halt, stehen bleiben!«
    Der Gardist, der sich dem Tor der Zitadelle näherte, saß nicht im Sattel, sondern ging neben seinem Pferd her. Das Tier lahmte stark und war sichtlich nicht in der Verfassung, einen Reiter zu tragen. Der Gardist trug einen blutbefleckten Notverband um den Kopf, der große Teile seines Gesichts verbarg und auch ein Auge bedeckte; wo die Haut freilag, sah sie aus, als hätte man sie in den Schmutz getreten. Er hinkte ebenfalls.
    »Schon wieder ein Kampf heute?«, fragte der Wachposten. Der Gardist schüttelte den Kopf, zuckte zusammen und bedeckte mit einer Hand sein Gesicht, wie um den Schmerz zurückzuhalten. »Was dann? Bist du gestürzt?«
    Der Gardist nickte ächzend.

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