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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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Panorama des Habitatzylinders der Far Horizons. Die hoch oben am vorderen Abschlussdeckel montierte Kamera schaute achtern entlang der leuchtenden Sonnenröhre. Mit einem Anflug von Verwirrung wurde sie sich bewusst, dass die Spiral-Fälle verschwunden waren. Wie auch die Farmen, Dörfer, Wälder, Seen und Flüsse, die die Innenwand des großen Zylinders verziert hatten. Was einmal ein grün-gelb-blauer Flickenteppich gewesen war, erschien nun in einem eintönigen Grau und wurde nur durch einen neuen Wald aus Balken, Säulen und Streben durchbrochen.
    Für den größten Teil des letzten Jahrs hatte die Besatzung der Far Horizons sich auf die Begegnung mit der Sonne vorbereitet. Die Transformation des Habitats war nur die offensichtlichste Vorkehrung. Seit mehr als zwei Jahrhunderten war die Rotationsschwerkraft die Hauptkraft an Bord des Sternenschiffs gewesen. »Draußen« war immer »unten« und die Drehachse der Zenit gewesen. Nicht einmal die Ausrichtung des Lichtsegels hatte direkte Auswirkungen auf die Bewohner des Sternenschiffs gehabt. Die Verzögerung, die aus dem Durchpflügen des interstellaren Mediums resultierte, hatte eine zu geringe Kraft produziert, als dass man sie gespürt hätte.
    Doch das würde sich nun ändern. Bald würde der »Boden« des Habitats zu »Wänden«, und der feste Boden unter den Füßen würde sich in eine mächtige Klippe verwandeln. Bei drei Gravitäten an der Drehachse würden alle losen Objekte im Zylinder — Pflanzen, Tiere, Phelaner, Wasser, Mutterboden, Häuser — ins Rutschen kommen und gegen den vorderen Verschlussdeckel stoßen. Um das zu verhindern, hatte die Besatzung der Far Horizons die kleine künstliche Welt des Habitatzylinders abgebaut. Die Dörfer wurden abgenommen und in Depots verstaut, das Getreide geerntet und das Saatgut gesammelt, die großen Wasserfälle abgeschaltet und alles offene Wasser in Zisternen gepumpt. Sogar der Mutterboden, der die Decks überzog, war abgetragen und durch Balken und Spanten ersetzt worden, um den Kiel des Sternenschiffs zu versteifen.
    Der Kommentator fuhr fort, die Szene für die Milliarden Zuschauer zu beschreiben. Dann änderte sich die Darstellung erneut und zeigte nun eine Abteilung, wo Tausende Phelaner in akkuraten Reihen angeschnallt lagen. Die Temperatur im größten Teil des Schiffs näherte sich bereits dem Siedepunkt von Wasser. Bald würden die Außendecks rot glühen. Nur in ein paar hundert abgeschirmten und gekühlten Schutzräumen herrschten noch lebensfreundliche Bedingungen, und in diesen Kammern harrten die Insassen der Far Horizons mit einer stoischen Ruhe ihrem Schicksal, die die wenigsten Menschen unter solchen Umständen aufgebracht hätten.
    »Es sieht so aus, als ob sie sich gut vorbereitet hätten«, sagte Tory - mehr, um die Spannung zu lindern als ihren zwei Begleitern etwas zu sagen, das sie nicht selbst schon wussten.
    Sie erhielt keine Antwort. Beide Phelaner waren völlig in die Holo-Szenen vertieft. Ihr Gesichtsausdruck war fremdartig und erinnerte Tory an den Tag, als sie ihr dieses schreckliche Geheimnis offenbart hatten. Sie hatte inzwischen gelernt, die Körpersprache der Phelaner zu lesen und wusste, dass Faslorn und Maratel von einer solchen Furcht ergriffen waren, wie sie sie noch nie bei ihnen gesehen hatte.
    Obwohl sie von der reinen Logik her wenig Grund hatten, sich zu fürchten. Schließlich müsste ein Raumschiff, das im Zentrum einer Nova zu überleben vermochte, auch in der Lage sein, Sol mühelos zu touchieren. Jedoch waren diejenigen, die das Schiff vom explodierenden Stern weggesteuert hatten, lange tot. Faslorns Generation kannte Sterne nur als ferne Punkte aus kaltem Licht. Der Anblick eines Sterns aus nächster Nähe war deshalb unheimlicher, als ein Planetengeborener sich überhaupt vorzustellen vermochte.
    Spontan streckte Tory den Arm aus und legte Faslorn tröstend die Hand auf die Schulter. Blaue Augen trafen sich mit grünen.
    »Nur Mut. In sechs Stunden werden sie es überstanden haben.«
    »Das ist es ja, was mich beunruhigt«, sagte er. Er tätschelte ihr den Arm und bedankte sich damit für ihren Versuch, ihn aufzumuntern.
    Auf dem Bildschirm setzte die Far Horizons den langen Fall zur Sonne fort, die sie bald einfangen würde.
    Zwei Stunden und siebenundzwanzig Minuten später erlosch der violette Funken des Kommunikationslasers, als das Schiff hinter der Sonne verschwand. Obwohl der Mars gerade in Konjunktion stand, vermochte kein Solarskop oder anderes

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