Die Segel von Tau-Ceti
verbracht hatte. Als sie es nach vorn bürstete, sah sie schon die Haarspitzen. Sie zog eine Schnute, entfaltete ein hässliches Null-g-Haarnetz und zog es sich über den Kopf. Dann kramte sie in einer Schublade nach dem Schminkzeug und investierte ein paar Minuten in die »Renovierung« des Gesichts. Schließlich überprüfte sie ihr Aussehen ein letztes Mal im Spiegel und befand, dass es genügen müsste.
Sie öffnete die Luke und schwebte in den Durchgang. Dabei erinnerte sie sich, wie Garth im Schlafraum aufgetaucht und sie nur mit einem Handtuch bekleidet war.
Sie hatte ausgesehen wie ein Zombie. Sie erinnerte sich auch, worüber sie und Kit gesprochen hatten und errötete nachträglich. Mit der Erinnerung kehrte auch wieder die Kenntnis der sozialen Konstellationen an Bord des Schiffs zurück.
Soweit sie wusste, waren die Besatzungsmitglieder in den sechs Wochen, die sie in der großen Schwärze beschleunigt hatten, in ihren Kabinen geblieben. Ein Grund dafür war der Dienstplan, der die Wirkung einer Anstandsdame bei einem Tanztee mit Jungs in einem Internat für höhere Töchter gehabt hatte. Wo jeder von ihnen acht Stunden Dienst am Tag schob, von der Erledigung der anderen Aufgaben ganz zu schweigen, hätte ein Pärchen kaum Zeit für intime Stunden gehabt. Und wenn Kit mit beiden Männern ins Bett gegangen war, hatte sie das außerordentlich diskret gehandelt.
Kit hatte bestätigt, dass sie mit Eli Guttieriz zusammenziehen würde, sobald er sich vom Kälteschlaf erholt hatte. Dadurch wurde die soziale Gleichung erheblich kompliziert. Ihr Vorschlag, dass Tory doch eine sexuelle Liaison mit dem Kapitän eingehen solle, war durchaus plausibel gewesen. Tory fragte sich aber, ob es das war, was sie wollte.
Sie ging in sich und fand keine wesentlichen Einwände. Obwohl sie natürlich Ben berücksichtigen musste. Eine Verbindung mit Garth würde unangenehme Fragen nach sich ziehen, wenn sie nach Hause zurückkehrte. Andererseits hatte sie Ben keine Versprechungen gemacht und auch selbst keine verlangt. Zumal die Wahrscheinlichkeit, dass Ben ihr für drei lange Jahre treu bleiben würde, gegen null tendierte.
Und wie stand es um ihre Gefühle für Garth? Er war ohne Zweifel ein attraktiver Mann, und sie respektierte ihn auch wegen der Kompetenz, mit der er vier völlig unterschiedliche Charaktere zu einem Team zusammengeschweißt hatte. Aber das war noch keine Liebe. Nein, jedes Arrangement, das sie trafen, wäre ein rein pragmatisches. Sie erinnerte sich an ihr Gespräch im Horst über Beziehungen, die auf nichts anderem als dem Bedürfnis beruhten, sich nachts an einen warmen Körper zu kuscheln. Freilich musste sie zugeben, dass dieser besondere Grund nun viel akuter war als je zuvor. Da war etwas an der schier endlosen Weite des Weltraums, das die Menschen veranlasste, im zwischenmenschlichen Bereich nach jedem Strohhalm zu greifen.
Das einzige Problem bestand darin, Garth ihr Interesse zu signalisieren. Schließlich war sie in einer Gesellschaft aufgewachsen, wo entsprechende Initiativen von jungen Damen mit Missfallen quittiert wurden. Da machte es auch keinen Unterschied, dass diese Einstellung ein Relikt aus den Tagen war, als der Mars noch ödes Neuland gewesen war. Tory war eben so erzogen worden.
Sie verspürte einen Anflug von Verärgerung über sich selbst. Sie wäre ein Dummkopf, wenn sie sich für die nächsten drei Jahre von ihrer Verklemmung blockieren ließe. Sie waren schließlich weit entfernt von zu Hause auf einer gefährlichen Mission, und niemand wusste, was der nächste Tag bringen würde. Wieso sollte sie da nicht die Gesellschaft eines starken, sensiblen Mannes suchen? Eigentlich musste sie nur noch ihren Mut zusammennehmen und Garth das Angebot unterbreiten. Das Schlimmste, was ihr passieren konnte, wäre, dass er ihr einen Korb gab.
Und davor hatte sie am meisten Angst, wie sie sich nun bewusst wurde. Was, wenn sie ihn fragte und er »nein« sagte? Konnte man an einer solchen Zurückweisung sterben, und wenn nicht, konnte man damit leben? Es war eine sehr zögerliche Tory Bronson, die da zum Kontrollraum ging.
Garth war auf seiner Beschleunigungsliege angeschnallt und studierte den Bildschirm, als sie durch die offene Luke hereindriftete. Er registrierte die Bewegung aus dem Augenwinkel und drehte sich zu ihr um.
»Geht es dir wieder besser?«
»Viel besser«, erwiderte sie. »Wie lang habe ich überhaupt geschlafen?«
»Zwölf Stunden.«
Sie stieß einen leisen Pfiff
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