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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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und vollen hundert Tonnen Masse.«
    »Vielleicht könnten wir sie rüberrollen«, sagte er. »Zumindest so weit, um die Luftschleuse mittschiffs wieder freizumachen.«
    »Vielleicht«, sagte sie in zweifelndem Ton.
    Just in diesem Moment erschien Kit Claridge in der offenen Luke über ihnen. Sie stand unsicher auf dem Süll und stieg dann aus. Wie Tory schien auch sie für eine Ewigkeit in der Luft zu hängen. Sie landete auf ihrem runden Hinterteil und sprang wie auf einem Trampolin wieder in die Höhe. Sie grinste.
    »Nicht sehr würdevoll«, kommentierte Tory.
    »Aber lustig. Wo sind überhaupt unsere Gastgeber?«
    »Sie sind noch nicht aufgetaucht. Vielleicht warten sie, bis wir alle uns hier versammelt haben.«
    Keine Minute später schloss Eli Guttieriz sich ihnen an. Als er sich aufrappelte, öffnete sich eine Luke im entgegengesetzten Schott. Tory hätte schwören können, dass es eben noch nicht da gewesen war.
    Das erschienene Wesen bewegte sich wie eine irdische Krabbe auf sie zu. Tory wurde sich bewusst, dass das die typische Bewegung eines Vierfüßlers in niedriger Schwerkraft war. Nur dass die Phelaner keine Vierfüßler waren. Oder er bildete dahingehend eine Ausnahme, dass er vier Glieder zur Fortbewegung nutzte. Er hatte aber noch zwei weitere Gliedmaßen, sodass er insgesamt über ein halbes Dutzend verfügte. Das verlieh ihm die Anmutung eines vielarmigen Hindu- oder Shinto-Gottes.
    Wie ein Mensch waren die Phelaner axial bisymmetrisch und hatten einen Rumpf, aus dem diverse Anhängsel sprossen. Der dreieckige Kopf saß auf einem langen, flexiblen Hals, der ihm allem Anschein nach die Fähigkeit verlieh, nach hinten zu schauen. Die beweglichen Ohren waren in ständiger Bewegung, als ob sie ihre Umgebung abtasteten. Der dünne Rumpf wurde von breiten Schultern auf einem zweiten, etwas schmaleren Rumpfsegment abgeschlossen. Zwei kleine, gelenkige Arme wuchsen aus den oberen Schultern, während die zweite Schulter-Konfiguration sich etwa im Bereich der kurzen Rippe eines Menschen befand. Das untere Paar Arme war lang und muskulös. Faslorn verwendete diese Zwischenglieder und die stumpfartigen Beine, um sich in einem Knöchelgang wie ein Schimpanse fortzubewegen.
    Faslorn drehte ihnen in einer Begrüßungsgeste alle vier Hände mit der Handfläche zu. Dabei zeigte er die unterschiedlichen Finger. Es waren sechs Finger an jeder Hand — zwei opponierbare Daumen außen und vier lange Finger dazwischen. Weiterhin offenbarte die Geste, dass die oberen Arme der Phelaner über zwei Ellbogen und ein Handgelenk verfügten. Einer der Ellbogen ermöglichte eine Rückwärtsbiegung des Arms. Mit dieser »Konfiguration« vermochte Faslorn die Arme in einer Bewegung auszustrecken, die an einen Scherenwagenheber erinnerte.
    Der Körper des Phelaners wurde von einem weichen weißen Daunenkleid bedeckt, das kein Gefieder, aber auch kein Pelz war. Tory nahm sich vor, die Außerirdischen um die Erlaubnis zur Untersuchung dieses erstaunlichen Fells zu bitten, sobald sie sich besser kannten. Schwarze Flecke waren — scheinbar wahllos — über Faslorns Körper verteilt. Seine Kleidung bestand aus einer Shorts und einem Koppelgürtel, an dem der güldene Komet eines Raumschiffskapitäns befestigt war. Das Abzeichen war mit dem an Garth' Kragen identisch, und Tory fragte sich, ob das Kostüm ein original phelanisches war oder nur ein Versuch, menschliche Modevorstellungen nachzuempfinden.
    Menschen und Phelaner nahmen sich gegenseitig in Augenschein. Die Kluft zwischen ihnen war viel größer als die drei Meter kalter Luft, die sie trennten. Sie beinhaltete die kumulierte Entwicklung, die über sechs Milliarden Jahre einer getrennten Evolution stattgefunden hatte. Nicht zum ersten Mal fragte Tory sich, ob es ein universales Prinzip gab, das die Existenz zweier physisch so ähnlicher Rassen im Abstand von nur zwölf Lichtjahren und praktisch im selben Moment in der Geschichte zuließ. Vielleicht, sagte sie sich, sah es nur wie eine Art Zufall aus — wie der scheinbare Zufall, dass eine Mondfinsternis auf der Erde immer nur bei Vollmond auftritt. Welchem Phänomen auch immer die Tatsache geschuldet war, dass Phelaner und Menschen so nah beieinander lebten, sie konnte es kaum erwarten, es herauszufinden.
    Niemand sagte etwas. Es war, als ob sie stillschweigend übereingekommen wären, diesen Moment auszukosten. In gewisser Weise verloren beide Arten gerade ihre Jungfräulichkeit. Nie wieder würde für beide von ihnen ein

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