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Die Segel von Tau-Ceti

Die Segel von Tau-Ceti

Titel: Die Segel von Tau-Ceti Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael McCollum
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Ihnen?«, fragte Maratel, als die Gravitation aufs Doppelte der normalen Marsschwerkraft anstieg.
    Torys Antwort klang etwas unsicher. »So la la.« Die Corioliskraft störte ihren Gleichgewichtssinn.
    Die Tür öffnete sich in einen richtigen Wald mit echtem Holz und Laub. Tory blinzelte, als Maratel sie dort hineinschob; sie stand nun auf einem gepflasterten Pfad unter einem Pflanzenbaldachin. Die Pflanzen hatten weder eine Ähnlichkeit mit allem, was sie auf dem Mars gesehen hatte noch mit der irdischen Flora, die sie in der Schule kennengelernt hatte. Phelanische Bäume hatten Kugelform, wobei die Äste radial aus einem Ausgangspunkt in der Nähe des Bodens sprossen. Am Ende jedes Asts hing ein einzelnes sechseckiges Blatt, das sich mit den benachbarten Blättern wie ein 3-D-Puzzle zu einer geschlossenen grünen Halbschale zusammenfügte. Der optische Effekt war der, als ob jemand vor ein paar Millisekunden eine Bombe in einem Laubhaufen gezündet hätte.
    Der Pfad führte direkt in einen Tunnel, den man durch die Kugel eines Baums getrieben hatte. Es dauerte einen Moment, bis Torys Augen sich an die Dunkelheit unter der Kuppel angepasst hatten, und sie stellte zu ihrer Überraschung fest, dass mehr als ein Augenpaar sich auf sie richtete. Die Augen gehörten etlichen kleinen sechsbeinigen Tieren, die — von den zwei zusätzlichen Beinen abgesehen — Klammeraffen ähnelten.
    Tory deutete auf eins dieser Tierchen. »Die Exobiologen auf der Erde werden sich die Haare raufen, wenn sie das sehen. Sie haben nämlich jenseits aller Zweifel bewiesen, dass die Evolution die Anzahl der Beine bei einem Tier grundsätzlich auf vier beschränkt.«
    Maratel lachte. »Unsere Zoologen könnten genauso gut die Vorteile von sechs Beinen darlegen. Es wird interessant sein zu sehen, welchen Regeln der nächste bewohnte Planet folgt, den wir entdecken.«
    »Sie werden wahrscheinlich fünf haben.«
    »Vielleicht ist alles möglich, und allein der Zufall - den es nicht gibt - steckt den Pfad der Evolution auf jeder Welt ab.«
    »Da könnten Sie recht haben«, erwiderte Tory und beobachtete ein kleines Tier, das von ihr fasziniert schien. »Sind sie intelligent?«
    »Nicht intelligenter als die Affen bei Ihnen zu Hause. Wir haben ihnen die Standardbezeichnung Hexa-Affen verliehen.«
    »Sind denn alle phelanischen Lebensformen sechsgliedrig?«
    »Viele zumindest. Ein paar niedere Tiere — die Entsprechung irdischer Kerbtiere - haben acht beziehungsweise zwölf Beine. Und wir haben auch eine Gattung ganz ohne Beine. Sie ähneln den irdischen Schlangen, besetzen aber eine andere ökologische Nische.«
    »Sie werden mir mal eine zeigen müssen. Ich habe nämlich noch nie eine Schlange gesehen. Das einzige Exemplar im Zoo von Olymp ist eingegangen, bevor ich alt genug war, um mich an Besuche im Zoo zu erinnern.«
    Maratel flanierte mit ihr auf dem Pfad, und dann traten sie aus dem Kugelbaum heraus ins warme, pastellorange Licht der Sonnenröhre. Der Spaziergang führte sie durch ein Blumenmeer. Manche Blüten muteten wirklich sonderbar an, doch andere wirkten fast vertraut. Tory machte eine Bemerkung über eine Blume, die bei schlechtem Licht als Rose hätte durchgehen können.
    »Die Ähnlichkeit ist rein zufällig«, erklärte ihre Mentorin. »Innerlich unterscheidet die ardt sich von jeder irdischen Pflanze.«
    »Eine ardt unter einem anderen Namen würde genauso lieblich duften?«
    »William Shakespeare!«, sagte Maratel lachend. »Romeo und Julia, glaube ich.«
    »Ich bin beeindruckt.«
    Maratel deutete auf die Blume. »Schnuppern Sie ruhig einmal daran.«
    Tory roch daran und hätte sich beinahe übergeben beim Gestank nach ranzigem Speck.
    »Wahnsinn!«
    »Die unterschiedliche Biochemie, die Faslorn Ihnen gegenüber erwähnte.«
    »Das wird's wohl sein.«
    Nachdem sie langsam weitere zweihundert Meter zurückgelegt hatten, standen Tory bereits die ersten Schweißperlen auf der Stirn. Maratel bemerkte das und führte sie zu einer Bank am Wegesrand. Die musste man auch eigens für sie aufgestellt haben, sagte sie sich. Die Proportionen entsprachen nämlich nicht den kurzen Beinen der Phelaner.
    Tory verschnaufte, legte den Kopf zurück und schaute nach oben auf den vorderen Verschlussdeckel. Sie keuchte, als ihre Augen die Dimensionen der Klippe zu erfassen versuchten, die sich scheinbar über ihr auftürmte. Aus dieser Perspektive schien der Verschlussdeckel aus massivem Gestein zu bestehen, von dem aus Tausende konzentrischer

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